Massenentlassungsanzeige

Massenentlassungsanzeige

10. Januar 2023

Möchte ein/e Arbeitgeber:in eine große Zahl von Mitarbeiter:innen entlassen, so muss er dies nach § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bei der Agentur für Arbeit anzeigen. Die Massenentlassungsanzeige dient in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmer, da dadurch rechtzeitig Maßnahmen zur Arbeitsvermittlung ergriffen werden können. Relevant ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Massenentlassungsanzeige entsprechend erfüllt werden, da die Nichtbeachtung der Vorschriften Folgen haben kann.

Erforderlichkeit einer Massenentlassungsanzeige

Grundsätzlich muss eine Massenentlassungsanzeige erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 20 Mitarbeitern gestellt werden. Ab welcher konkreten Anzahl eine solche zu erfolgen hat, ist abhängig von der Betriebsgröße und in § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG geregelt. Die Entlassungen müssen innerhalb von 30 Kalendertagen ergehen. Wann von einer Entlassung nach § 17 KSchG auszugehen ist, war lange umstritten. Inzwischen steht fest, dass eine Entlassung nicht erst ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern bereits beim Ausspruch der Kündigung vorliegt. Als Entlassung sind grundsätzlich alle Formen der Kündigung durch den Arbeitgeber mitzuzählen, auch Änderungskündigungen und Eigenkündigungen von Arbeitnehmern, wenn der Arbeitgeber diese veranlasst hat. Auch Aufhebungsverträge zählen dazu, wenn der Arbeitgeber eine konkrete Entlassungsabsicht hat. Fristlose Entlassungen werden nach § 17 Abs. 4 S. 2 KSchG jedoch nicht mitgezählt.

Beteiligung des Betriebsrates

Für eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige muss der Betriebsrat, sofern es einen gibt, an dem Verfahren beteiligt werden.

Gem. § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG ist eine schriftliche Unterrichtung notwendig, durch die der Betriebsrat möglichst umfassend und genau in Kenntnis gesetzt wird. Als rechtzeitig wird die Unterrichtung angesehen, wenn sie mindestens zwei Wochen vor der Erstattung der Anzeige erfolgt. Die Beteiligung anderer Mitarbeitervertretungen ist nicht erforderlich. Darüber hinaus muss gem. § 17 Abs. 2 S. 3 KSchG eine Beratung stattfinden, um Entlassungen zu vermeiden oder die Folgen zu mindern. Weitere Mitwirkungsrechte des Betriebsrates finden sich in § 17 Abs. 3 KSchG: Der Betriebsrat kann zu den Entlassungen eine schriftliche Stellungnahme abgeben, die der Arbeitgeber seiner Anzeige beizufügen hat. Darüber hinaus hat er das Recht zu weiteren Stellungnahmen. Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat muss Einvernehmen bei den zu erteilenden Angaben über die Mitarbeiter bestehen. Weitere betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte können sich aus §§ 92, 102, 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ergeben. Bis auf die Regelung des § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG führt die Nichtbeachtung der Vorschriften zur Unwirksamkeit der Entlassungen, da sie Verbotsgesetze nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen.

Anzeigepflicht

Die Entlassungen müssen gem. § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG angezeigt werden. Die Anzeige erfolgt schriftlich gegenüber der Arbeitsagentur, in deren Bezirk der Betrieb liegt. Hat der Betriebsrat eine Stellungnahme abgegeben, muss sie der Anzeige gem. § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG angehangen werden.
Bei dem Inhalt der Anzeige wird unterschieden in Muss-Angaben gem. § 17 Abs. 3 S. 4 KSchG und Soll-Angaben gem. § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG.
Zu den Muss-Angaben gehören unter anderem der Name des Arbeitgebers, der Sitz und die Art des Betriebes, sowie die Gründe für die geplanten Entlassungen. Fehlerhafte Muss-Angaben führen zur Unwirksamkeit der Kündigungen gem. § 134 BGB. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschied im Februar dieses Jahres, dass es allein auf die objektive Richtigkeit der Gründe ankommt (Az. 12 Sa 7/21). Unerheblich sei, ob die handelnde Person im konkreten Fall von den tatsächlich zutreffenden Gründen ausgegangen sei.
Zu den Soll-Angaben gehören Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer. Fehlen diese, ist die Anzeige allerdings nach allgemeiner Ansicht trotzdem wirksam. Dagegen richtete sich zuletzt das LAG Hessen (Az. 14 Sa 1225/20) und bejahte eine Unwirksamkeit. Grund dafür ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL), auf welcher § 17 KSchG beruht. Dieser verlangt die Mitteilung von zweckdienlichen Angaben und unterscheidet insofern nicht zwischen Soll- und Muss-Angaben. Im Sinne der effektiven Umsetzung des Unionsrechts wären deshalb auch Soll-Angaben verpflichtet, solange dem Arbeitgeber die Mitteilung dieser Angaben möglich ist. Dagegen richtete sich die Entscheidung des LAG Düsseldorf (Az. 12 Sa 349/21), da die MERL nicht alle denkbaren zweckdienlichen Angaben umfassen könne und dem Gesetzgeber deswegen ein Umsetzungsspielraum verbleibe. Letztinstanzlich stellte nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) fest, dass durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bereits geklärt sei, dass Soll-Angaben nicht nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 2 MERL erforderlich sind (Az. 2 AZR 467/21). Damit bleibt es dabei, dass fehlende Angaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen.

Zusammenfassung

Ab wann, eine Massentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit gestellt werden muss, hängt von der Betriebsgröße ab. Zu achten ist insbesondere auf die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates und die Mitteilung der Muss-Angaben, da Fehler dahingehend zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen. Fehlende Soll-Angaben wirken sich hingegen nicht negativ aus.