Während vieler Monate kam es aufgrund der Corona-Pandemie zu bedeutenden Verzögerungen bei Bauvorhaben, unter anderem, weil Arbeitskräfte aus dem Ausland nicht nach Deutschland einreisen konnten oder weil Lieferketten, insbesondere für Baumaterialien, unterbrochen waren.

Mit Urteil vom 24.05.2022 hat das Kammergericht (KG) Berlin entschieden, dass ein/e Werkunternehmer:in* oder Bauträger seinen Verzug nicht zu vertreten hat, soweit er durch schwerwiegende, unvorhersehbare und unabwendbare Umstände, wie beispielsweise die Auswirkungen der Corona-Pandemie, an der rechtzeitigen Erfüllung gehindert war. Im Streitfall muss der Werkunternehmer allerdings konkret darlegen, wie sich der schwerwiegende und unvorhersehbare Umstand auf den Ablauf des Bauvorhabens ausgewirkt hat, um sich vom Verzug zu entlasten.

Der Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte sich ein Bauträger (Beklagte) mit notariellem Vertrag verpflichtet, für seine Auftraggeber (Kläger) eine Wohneinheit in einem Gebäude bis zum 30. Juni 2018 bezugsfertig herzustellen und an diese zu übergeben. Im Vertrag wurde festgehalten, dass wenn die Wohnung nicht die vereinbarte Größe von ca. 105 qm aufweise, der Kaufpreis bei einer Abweichung der Wohnfläche um mehr als 2 % anzupassen sei. Die Beklagte übergab die Wohnung den Klägern am 6. Juli 2020 und damit mehr als zwei Jahre später als vertraglich vorgesehen. Im Verzugszeitraum wohnten die Kläger in einer Mietwohnung und zahlten insgesamt € 21.755,00 Miete. Nach der Übergabe zogen die Kläger nicht in die streitgegenständliche Wohnung ein, sondern vermieteten diese. Da die Beklagte bedingt durch den verzögerten Baufortschritt einzelne Kaufpreisraten erst verspätet fällig stellte, konnten die Kläger die entsprechenden Darlehensraten auch erst verspätet bei ihrer Bank abrufen, wodurch ihnen zusätzliche Bereitstellungszinsen von insgesamt € 7.054,70 entstanden.

Mit ihrer Klage nahmen die Kläger die beklagte Bauträgerin auf Schadensersatz i.H.v. etwa € 60.000 in Anspruch. Sie forderten Ersatz der Miete für die von ihnen im Verzugszeitraum bewohnte Mietwohnung und Ersatz der zusätzlichen Bereitstellungszinsen. Außerdem forderten sie eine Kaufpreisminderung, weil die Wohnung eine geringere Fläche aufweise als vereinbart.

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die verspätete Fertigstellung der Wohnung ihr zumindest teilweise nicht zugerechnet werden könne. Infolge der Corona-Pandemie seien Verzüge entstanden, weil Arbeiter aus diversen Ländern nicht nach Deutschland einreisen konnten und zahlreiche Baumaterialien nicht zeitgerecht geliefert wurden.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben und die Beklagte vollständig gemäß dem Klageantrag verurteilt (LG Berlin, Urteil vom 19. Oktober 2021, 30 O 197/20). Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein.

Das KG Berlin hat die Berufung zurückgewiesen und entschieden, dass den Klägern gem. §§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte wegen der verspäteten Übergabe der von ihnen gekauften Wohnung zusteht. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Aus den Gründen:

Mit dem Verstreichen des vertraglich bestimmten Termins für die bezugsfertige Herstellung der Wohnung (30. Juni 2018) befand sich die Beklagte mit der Übergabe der Wohnung in Verzug. Der Verzug endete mit Übergabe der Wohnung am 6. Juli 2020. Die Beklagte hat es durchgängig zu vertreten, dass sie die Wohnung erst an diesem Tag und nicht früher den Klägern übergeben konnte.

Zwar hat ein Sachleistungsschuldner wie ein Bauunternehmer oder Bauträger die Verspätung seiner Leistung nicht zu verantworten, soweit er durch schwerwiegende, unvorhersehbare und unabwendbare Umstände, wie beispielsweise die Auswirkungen der Corona-Pandemie, an der rechtzeitigen Erfüllung gehindert war. Da allerdings gemäß § 286 Abs. 4 BGB gesetzlich vermutet wird, dass ein Schuldner die Nichteinhaltung eines Termins für seine Leistung zumindest fahrlässig verschuldet hat, reicht die abstrakte Möglichkeit derartiger Erschwernisse für die Abwendung des Vertretenmüssens allein nicht aus. Vielmehr muss ein Bauunternehmer, der sich von seinem Verzug entlasten will, konkret darlegen, wie sich ein von ihm nicht zu verantwortender Umstand im Einzelnen auf den Herstellungsprozess ausgewirkt und ihn verzögert hat (sog. „bauablaufbezogene Darstellung“). Der pauschale Vortrag der Beklagten zu angeblichen Auswirkungen der Pandemie genügt dieser Anforderung nicht. Das KG führt hierzu aus, dass völlig unklar bleibt, welcher konkrete Arbeitsablauf auf der Baustelle durch welche Störungen in welchem Zeitraum beeinträchtigt war und inwieweit dies Auswirkungen auf die Fertigstellung der von den Klägern gekauften Wohnung hatte.

Der entstandene Verzugsschaden liegt allerdings nicht in den Mietzahlungen, die die Kläger im Verzugszeitraum für die von ihnen selbst genutzte Wohnung aufwendeten. Die Kläger sind auch nach Übergabe nicht in ihre gekaufte Wohnung eingezogen, sondern haben diese vermietet. Es ist anzunehmen, dass die Kläger die Wohnung auch bei fristgerechter Übergabe vermietet hätten und somit auch für die von ihnen selbst genutzte Wohnung durchgängig Miete hätten zahlen müssen.

Den Klägern sind allerdings durch den Verzug die Einnahmen entgangen, die sie mit der Vermietung ihrer gekauften Wohnung hätten erzielen können. Sie hätten ihre Neubauwohnung mit einer Größe von 98,60 qm während des Verzugszeitraums in Berlin unschwer für € 906,46 im Monat vermieten können. Der Verzugsschaden liegt also in den entgangenen Mieteinnahmen, die sich auf € 21.755,00 belaufen. Ferner mussten die Kläger aufgrund des Verzugs der Beklagten zusätzliche Bereitstellungszinsen i.H.v. € 7.054,70 an ihre finanzierende Bank zahlen. Es ergibt sich eine Schadenssumme von € 28.809,70.

Die Kläger haben zusätzlich einen Anspruch von € 30.780,97 gegen die Beklagte aus dem Bauträgervertrag. Der Kaufpreis ist zugunsten der Kläger in diesem Umfang anzupassen, weil die Wohnung nicht die vereinbarte Größe von ca. 105 qm, sondern lediglich von 98,60 qm aufweist. Damit ist eine Abweichung der Wohnfläche um mehr als 2 % gegeben.

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* Verwenden wir zukünftig das generische Femininum oder das generische Maskulinum bezieht das immer sämtliche Geschlechter mit ein und dient ausschließlich der besseren Lesbarkeit.