Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnis

09. Mai 2023

Arbeitnehmer haben gemäß § 109 Absatz 1 Satz 1 Gewerbeordnung bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis dient dem Arbeitnehmer als Grundlage für Bewerbungen und informiert hierbei künftige Arbeitgeber über den Bewerber und seine bisherige Arbeitsleistung.

Nach § 109 Absatz 1 Satz 2 Gewerbeordnung muss das Zeugnis mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten – dann ist es ein einfaches Zeugnis – und auf Verlangen des Arbeitnehmers darüber hinaus zu Leistung und Verhalten – dann handelt es sich um ein qualifiziertes Zeugnis. Um die oben genannten Zwecke zu erfüllen, müssen im Zeugnis richtige und vollständige Angaben gemacht werden und der Arbeitgeber eine Mindestgewähr für den Inhalt gegenüber den zukünftigen Arbeitgebern übernehmen.

Der Anspruch auf ein Zeugnis kann nach Ablauf einer tarif- oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist erlöschen, wenn deren Wirkung sich auch auf den Zeugnisanspruch erstrecken soll. Der Zeugnisanspruch verjährt in drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem er entstanden ist. Der Anspruch kann verwirkt werden, wenn er längere Zeit (nach der Rechtsprechung 5 bis 15 Monaten je nach den Umständen des Einzelfalls) nicht ausgeübt wurde, der Arbeitgeber dadurch der Überzeugung ist, der Arbeitnehmer werde sein Recht nicht mehr geltend machen und die Erfüllung für den Arbeitgeber unzumutbar ist.

Auch Geschäftsführer und andere im Rahmen eines Dienstvertrages tätige Selbstständige (§ 630 BGB) und Auszubildende (§ 16 BBiG) haben einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch auf ein Zeugnis.

Neben dem beschriebenen Zeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitnehmer auch ein Anspruch auf die Erteilung eines so genannten Zwischenzeugnisses aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zustehen. Grundlage hierfür ist ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers, dass z.B. bei einem Vorgesetztenwechsel, einer Änderung der Aufgaben, Elternzeit, einem Betriebsübergang oder einer in Aussicht gestellten Kündigung, aber auch der Absicht, sich nach Arbeitsplätzen umzusehen und den eigenen Marktwert zu erkunden, zu bejahen ist. Umstritten ist allerdings, ob der Arbeitnehmer sein berechtigtes Interesse offenzulegen hat.

Inhalt des Anspruchs

Die Anforderungen an den Inhalt des Zeugnisanspruchs sind von der Rechtsprechung umfangreich und detailliert entwickelt worden.

Form

Hinsichtlich der Formvorgaben ist eine angemessene äußere Form erforderlich, insbesondere ist das Zeugnis schriftlich, in der Regel auf dem üblichen Geschäftspapier und maschinenschriftlich, zu erteilen und eigenhändig zu unterzeichnen. Es soll ein Ausstellungsdatum – beim Beendigungszeugnis das Datum des letzten Arbeitstages – enthalten und sich auf den konkret identifizierten Arbeitnehmer mit vollem Namen und ggf. akademischen Titeln beziehen. Der Arbeitnehmer kann die Behebung äußerer Mängel des Zeugnisses wie Verschmutzungen und Risse und auch die Berichtigung von Rechtsschreibfehlern verlangen. Zudem kann der Arbeitnehmer verlangen, dass das Zeugnis „knickfrei“ ausgehändigt wird, d.h. ohne Knicke im Papier, die auf einen Postversand hindeuten.

Inhalt

Inhalt des Zeugnisses sind alle Tatsachen, die für die Einstellungsentscheidung eines potentiellen zukünftigen Arbeitgebers wesentlich sind. Es muss sich auf den gesamten Beschäftigungszeitraum und ausschließlich auf die tatsächlich vom Arbeitnehmer übernommene Verantwortung und Tätigkeiten beziehen und darf nicht nur die Leistungen, sondern immer auch eine Bewertung dieser beinhalten. Bei der Beurteilung der Leistungserbringung hat der Arbeitgeber grundsätzlich einen weiten Beurteilungsspielraum, wobei der Standpunkt eines wohlwollenden, verständigen Arbeitgebers maßgeblich ist, der die Bewertung auf Tatsachen stützt.

Neben der inhaltlichen Vollständigkeit und Richtigkeit muss das Zeugnis auch den Grundsätzen der Einheitlichkeit und Klarheit entsprechen: Nach der gesetzlichen Regelung in § 109 Absatz 2 Gewerbeordnung darf es keine Aussagen oder Merkmale enthalten, die in einem Widerspruch zum Wortlaut des Zeugnisses stehen. Unzulässig sind unklare Formulierungen, durch die der Arbeitnehmer anders beurteilt werden soll, als aus dem Zeugniswortlaut ersichtlich, denn, wenn aus der Ausdrucksweise eine Distanzierung des Arbeitgebers vom Wortlaut seiner Erklärungen und damit eine ungünstigere Beurteilung des Arbeitnehmers folgt, ist das Zeugnis inhaltlich „falsch“. Maßstab für solche unzulässige Formulierungen ist das Verständnis der durchschnittlich Beteiligten des vom Zeugnis angesprochenen Personenkreises, nämlich eines objektiven und damit unbefangenen Arbeitgebers mit Berufs- und Branchenkenntnissen und wie dieser das Zeugnis und die enthaltenen Formulierungen verstehen muss.

Für die Formulierung der Beurteilung des Arbeitnehmers hat sich eine eigene „Fachsprache“ entwickelt: danach werden aufgrund der Pflicht zur wohlwollenden Bewertung grundsätzlich positiv formulierte Bewertungstexte verwendet, die aber je nach der entsprechenden Note abgestuft werden:

Note

Formulierung

sehr gut (1)

in der Regel drei Steigerungen - positives Adjektiv als Superlativ + stets:

„stets sehr gut/hervorragend, äußerst, absolut"

gut (2)

in der Regel zwei Steigerungen - positives Adjektiv + sehr/stets:

„stets gut“ oder „sehr gut“

befriedigend (3)

eine Steigerung - mit positivem Adjektiv:

„gut"

ausreichend (4)

ohne positives Adjektiv (einfache Form)

mangelhaft (5)

Einschränkung z.B. „größtenteils“

ungenügend (6)

„ist übertragenen Aufgaben nicht gerecht geworden“


Auf diese Weise werden im Zeugnis in der Regel die Leistungsbereiche Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Arbeitsweise (Arbeitsqualität, Zuverlässigkeit, Verhandlungsgeschick, Arbeitstempo) und Arbeitserfolge (Arbeitsmenge und Arbeitsergebnisse) sowie das Verhalten beurteilt. Die Beurteilung endet in der Regel mit einer zusammenfassenden Gesamtbeurteilung (Schlussnote).

Für die Gesamtbewertung sind folgende Formulierungen üblich:

Sehr gut: „hat den ihm/ihr übertragenen Aufgabenbereich stets zu unserer vollsten Zufriedenheit abgedeckt“; „seine/Ihre Leistungen waren stets sehr gut“

Gut: „hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt“; „seine/Ihre Leistungen waren stets gut“

Befriedigend: „hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt“; „seine/ihre Leistungen waren stets befriedigend“

Ausreichend: „hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erfüllt“; „seine/ihre Leistungen waren stets ausreichend“

Mangelhaft: „hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erfüllt“; „seine/ihre Leistungen waren mangelhaft“

Ungenügend: „hat sich bemüht, die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen“; „seine/ihre Leistungen waren unzureichend“

Ähnlich wie bei der Formulierung der Beurteilung haben sich sprachliche Muster herausgebildet, die für den Laien kaum erkennbar auf eine negative Beurteilung im Zeugnis hinweisen. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung eines verneinten Gegensatzes bei besonders schlechten Bewertungen: „Er war nicht unzuverlässig“. bedeutet, dass der Arbeitnehmer unzuverlässig war.

Darüber hinaus werden bei mangelhaften Beurteilungen in der Regel Relativierungen eines eigentlich positiven Satzes durch die Verwendung bestimmter Schlüsselwörter (bemüht, bestrebt, interessiert, in der Regel, im Großen und Ganzen) ausgedrückt: „Er/Sie war bemüht,…“ oder „Er/Sie hat die Arbeitsanweisungen immer mit Interesse entgegengenommen.“

Bei mehrdeutigen Formulierungen kommt es auf die Bewertung im restlichen Zeugnis an: so kann „selbstsicheres Auftreten“ in einem sonst guten Zeugnis ein positiver Hinweis auf eine sichere Argumentationsweise des Mitarbeiters sein, während dasselbe in einem ansonsten unterdurchschnittlichen Zeugnis dem Mitarbeiter problematisches Verhalten zuschreiben kann. Sehr kurz formulierte Sätze, insbesondere gehäuft innerhalb des Zeugnisses, deuten auf eine schlechte Bewertung und Geringschätzung des Mitarbeiters hin. Wird etwa nur mit „Er/Sie war verlässlich.“ bewertet, so fehlt der Zusammenhang, etwa die Art und Weise und der Bereich der Verlässlichkeit, sodass von einer nur ausreichenden Bewertung auszugehen ist.

Widersprüche innerhalb des Zeugnisses sind ein Indiz für die Verschleierung einer negativen Bewertung, negative Sätze wiegen immer schwerer. Widersprüchliche Aussagen innerhalb eines Satzes ziehen die Bewertung auf ein niedrigeres Niveau. Werden selbstverständliche Tätigkeiten und Eigenschaften besonders hervorgehoben, entspricht dies einer negativen Bewertung, da offensichtlich nichts anderes über den Arbeitnehmer zu sagen war, z.B. „Er/Sie führte mit den Mitarbeitern stets sehr gute Gespräche.“

Werden Bewertungen zu bestimmten Bereichen, die (für den konkreten Beruf/die konkrete Stelle) üblich wären, einfach weggelassen, entsteht der Eindruck, dass Probleme in diesem Bereich verschwiegen werden sollen, was letztlich einer negativen Bewertung entspricht. Dies ist z.B. der Fall, wenn das Verhalten gegenüber Vorgesetzten oder der Kundenkontakt bei einem Außendienstmitarbeiter einfach nicht bewertet wird.

Der das Zeugnis beendende Schlusssatz enthält in der Regel einen Hinweis auf die Beendigungsumstände, Dank, Bedauern und Zukunftswünsche. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf den Ausdruck des Bedauerns oder auf gute Wünsche für die Zukunft. Eine entsprechende Formulierung kann aber z.B. in einem Abwicklungsvertrag als Teil der Pflichten des Arbeitgebers vereinbart werden. Der Schlusssatz kann je nach Gesamtbeurteilung wie folgt formuliert werden

sehr gute Gesamtbewertung:

„... scheidet auf eigenen Wunsch aus unserem Betrieb aus. Wir bedauern seine/ihre Entscheidung sehr, da wir mit ihm/ihr einen wertvollen Mitarbeiter verlieren. Für seine/ihre Mitarbeit in unserem Betrieb bedanken wir uns und wünschen ihm/ihr weiterhin viel Erfolg und persönlich alles Gute

gute Gesamtbewertung:

„... verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir bedauern seine/ihre Entscheidung, danken ihm/ihr für seine/ihre Mitarbeit in unserem Unternehmen und wünschen ihm/ihr weiterhin Erfolg und persönlich alles Gute

durchschnittliche Gesamtbewertung:

„... scheidet auf eigenen Wunsch aus unserem Betrieb aus. Für seine/ihre Mitarbeit danken wir ihm/ihr und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute

ausreichende Gesamtbewertung:

„... scheidet auf eigenen Wunsch aus unserem Betrieb aus. Wir wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute

mangelhafte Gesamtbewertung:

„... scheidet auf eigenen Wunsch aus unserem Betrieb aus. Für die Zukunft wünschen wir ihm/ihr viel Glück

Soweit das Zeugnis inhaltlich nicht den Anforderungen entspricht, kann der Arbeitnehmer eine Berichtigung oder Ergänzung des Zeugnisses verlangen. Dieser Berichtigungsanspruch kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwirken, wenn er 10 Monate lang nicht geltend gemacht worden ist. Benötigen Sie Beratung zu einzelnen Formulierungen eines Arbeitszeugnisses? Dann vereinbaren Sie ein Erstgespräch mit uns.