Zahlt eine GmbH ihren Arbeitnehmer:innen nicht den gesetzlichen Mindestlohn, haften nicht die Geschäftsführer für den Schadensersatz. Zwar müssen die GmbH-Geschäftsführer nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) möglicherweise ein Bußgeld zahlen. Eine persönliche Haftung scheide aber aus, weil der Bußgeldtatbestand kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Geschäftsführern darstelle. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 30.03.2023, Az. 8 AZR 120/22.

Ein Arbeitnehmer, der seit 1996 bei einer GmbH angestellt war, hatte für den Monat Juni 2017 keinen Lohn erhalten. Im November desselben Jahres wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Arbeitnehmer nahm die Geschäftsführer der insolventen GmbH persönlich auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch.

Das Arbeitsgericht Gera hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Thüringen hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seinem Urteil vom 30.03.2023 hat das BAG sich nun den vorigen Instanzen angeschlossen und die Revision des klagenden Arbeitnehmers zurückgewiesen.

Die Geschäftsführer einer GmbH seien dem Arbeitnehmer nicht persönlich zum Schadensersatz für die unterbliebene Zahlung des Mindestlohns nach § 823 II BGB i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verpflichtet.

GmbH-Geschäftsführer haften grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft

Die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH ist grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt, § 43 Abs. 2 GmbHG. Auch die Pflicht der Geschäftsführer dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt, bestehe nur der Gesellschaft gegenüber. Mithin könne eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nur Schadensersatzansprüche der Gesellschaft begründen. Außenstehenden Dritten gegenüber haften GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich.

Geschäftsführer einer GmbH haften nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist. Ein solcher besonderer Haftungsgrund liege bei der Nichtzahlung des Mindestlohns gerade nicht vor.

§ 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ist kein Schutzgesetz

Zwar seien die Geschäftsführer der GmbH als vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person taugliche Täter der Ordnungswidrigkeit einer unterlassenen Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG. Allerdings seien die Geschäftsführer dem Arbeitnehmer bereits deshalb nicht persönlich nach § 823 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil es sich bei dem Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 20 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Geschäftsführern handele.

Die Annahme, dass es sich bei den Regelungen im MiLoG um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handele, würde dazu führen, dass Arbeitnehmer die Geschäftsführer selbst bei nur (leicht) fahrlässiger Verwirklichung des Bußgeldtatbestands nach § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns persönlich in Anspruch nehmen könnten. Dann hätten die Arbeitnehmer mit den Geschäftsführern, neben der GmbH, weitere Schuldner im Hinblick auf die Zahlung des Mindestlohns. Damit würde das Haftungssystem des GmbH-Gesetzes, in dem es eine allgemeine Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführer der Gesellschaft nicht gibt, für den Bereich der Vergütungspflicht des Arbeitgebers vielfach unterlaufen werden.

Es gebe aber in den Bestimmungen des MiLoG keine Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Geschäftsführer der GmbH – über die sonst vorhandenen zivilrechtlichen Haftungstatbestände hinausgehend – persönlich haften sollen. Die effektive Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs sei bereits hinreichend durch einen unmittelbaren Leistungsanspruch der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 20 MiLoG abgesichert.

Zusammengefasst scheide eine persönliche Haftung der GmbH-Geschäftsführer also aus, weil der Bußgeldtatbestand des MiLoG kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Geschäftsführern darstelle. Zum selben Ergebnis gelangte das BAG in einem Parallelverfahren (Urteil vom 30.03.2023, Az.: 8 AZR 199/22).

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