Seit dem 01.01.2022 sind in Deutschland eine Reihe neuer Regelungen in Kraft getreten, welche die Rechte von Verbraucher:innen* bei Erwerb und Nutzung digitaler Produkte wie z.B. Apps, E-Books oder Filme über Streaming-Dienste stärken sollen. Zu den wichtigsten Neuerungen gehören umfassende Gewährleistungsrechte für Verbraucher für den Fall, dass die digitalen Produkte mangelhaft sind sowie die Pflicht für Unternehmen, funktions- und sicherheitserhaltende Updates bereitzustellen.

Grundlage und Umsetzung des Gesetzes in Deutschland

Zur Umsetzung der neuen Verbraucherschutzvorschriften wurde das BGB um die neuen §§ 327 - 327 s BGB ergänzt.

Die neuen Regelungen beruhen auf der EU-Richtlinie 2019/770 des Parlaments und des Rates vom 20.05.2019 über "bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen" („Digitale-Inhalte-Richtlinie“ oder „DIRL“). Die Richtlinie zielt darauf ab, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau einerseits und der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auf einem digitalen Binnenmarkt andererseits zu schaffen. Sie verpflichtete die Mitgliedstaaten bis zum 01.07.2021 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um die Regelungen einheitlich in jeweils nationales Recht umzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber ist dem mit dem Erlass der §§ 327 - 327s BGB grade noch rechtzeitig am 25.06.2021 nachgekommen. Die neuen Vorschriften sind ab dem 1. Januar 2022 in Deutschland anzuwenden.

Nicht zu verwechseln ist die DIRL mit der sog. WKRL, der EU-Warenkaufrichtlinien 2019/771 vom 20.05.2019, welche die Förderung des Handels mit digitalen Waren zum Ziel hat. Diese war ebenfalls bis zum 01.07.2021 in nationales Recht umzusetzen und wurde von Deutschland ebenfalls am 25.06.2021 mit dem „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags" umgesetzt und an verschiedenen Stellen, insbes. in den zusätzlichen Vorgaben der §§ 475b ff. BGB n. F., in das BGB eingefügt. Auch diese neuen Vorschriften sind ab dem 1. Januar 2022 in Deutschland anzuwenden.

Die beiden Richtlinien, welche im Rahmen der „Digital Market Strategy 2015“ erarbeitet wurden, sind ausschließlich auf Verbraucherverträge anwendbar und ergänzen einander. Während die DIRL zwar für alle Verträge über Waren und Dienstleistungen jedoch nur betreffend digitale Inhalte gilt, gilt die WKRL nur für den Kauf von Waren, allerdings für jegliche Waren, einschließlich solcher Waren mit digitalen Elementen. Da findet sich eine gewisse Überschneidung, wobei im Zweifel die WKRL Anwendung finden soll.

Anwendungsbereich

Die neuen Regelungen der §§ 327 - 327s BGB gelten für Verbraucherverträge. Ein Verbrauchervertrag wird dann angenommen, wenn eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ("Verbraucher", § 13 BGB), einen Vertrag mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ("Unternehmer", § 14 BGB).

Gemäß § 327 Abs. 1 BGB sind die Vorschriften inhaltlich anzuwenden auf jegliche Verträge, also Kauf, Miete, oder sonstige Arten von Verträgen, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (gemeinsam „digitale Produkte“) zum Gegenstand haben.

Die Verträge über die digitalen Produkte müssen nicht zwangsläufig gegen Entgelt abgeschlossen sein. Als Gegenleistung können digitale Werte oder virtuelle Währungen dienen, soweit diese nach nationalem Recht anerkannt sind (§ 327 Abs. 1 BGB). Auch personenbezogene Daten könne vom Nutzer als Gegenleitung erbracht werden (§ 327 Abs. 3 BGB). Damit gelten die Regelungen bspw. auch für den Abschluss sog. „Pur-Abonnements“.

Das Spektrum der digitalen Inhalte, welche von den neuen Regelungen umfasst sind, ist groß. Umfasst sind digitale Produkte wie Software, E-Books oder sonstigen Mediendownloads, Apps, Dienstleistungen wie das Streaming von Filmen, Serien oder jeglicher Art von Videos oder Musik, digitale Fernsehdienste, Datenbanken, Cloud-Services, Plattformangebote, Social Media, nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdiensten wie zum Beispiel E-Mail- oder Messenger-Dienste, oder auch die Bereitstellung bestimmter elektronischer Dateien im Rahmen des 3D-Drucks von Waren. Auch die Bereitstellung körperliche Datenträger, (DVDs, CDs, USB-Sticks, Speicherkarten) kann unter die neuen Vorschriften fallen, sofern diese ausschließlich als Träger der digitalen Inhalte dienen.

Von den digitalen Produkten abzugrenzen sind die sog. „Waren mit digitalen Elementen“, welche in den Anwendungsbereich der WKRL fallen. Dabei handelt es sich um Waren, welche eigenständige digitale Produkte enthalten oder derart mit Ihnen verbunden sind, dass die Ware ihre Grundfunktionen ohne das digitale Element nicht mehr ausüben kann. Darunter fallen z.B. Smart-Geräte wie Smartphones und Smartwatches. Die §§ 327 - 327 s BGB finden auf diese Waren keine unmittelbare Anwendung. Es gelten insoweit insbes. die neuen zusätzlichen Vorgaben der §§ 475b ff. BGB.

Schließlich sind einige Verträge kategorisch von den neuen Regelungen ausgenommen, auch wenn es sich um digitale Inhalte handeln sollte (§ 327 Abs. 6 BGB). Dazu gehören etwa Behandlungsverträge, Verträge über Glücksspieldienstleistungen oder Verträge über Finanzdienstleistungen. Auch Open-Source-Software ist nicht umfasst.

Die wichtigsten neuen Regelungen

In § 327 e BGB wird detailliert geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein digitales Produkt mangelhaft ist. Dabei wird sowohl auf die subjektiven Anforderungen (also die berechtigten Erwartungen des Verbrauchers) als auch auf die objektiven Anforderungen an das Produkt und die Integration abgestellt.

Dem Verbraucher stehen, für den Fall, dass der digitale Inhalt mangelhaft ist, umfassende Gewährleistungsrechte zu (§ 327 i BGB), welche weitestgehend den Regelungen bei Kauf- oder Werkverträgen über „normale“ Produkte entsprechen. Dazu gehören: Nacherfüllung (§ 327 l BGB), Minderung (§ 327 n BGB), Vertragsbeendigung sowie Schadenersatz (§ 327 m BGB) oder Aufwendungsersatz (§ 284 BGB).

Darüber hinaus sieht das Gesetz in § 327 f BGB - und das ist gänzlich neu - die Pflicht für Unternehmen vor, funktionserhaltende Updates und Sicherheitsupdates, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit erforderlich sind, kostenfrei bereitzustellen und den Verbraucher darüber zu informieren. Dabei handelt es sich um die wohl umstrittenste Neuregelung, welche in Inhalt und Umfang wenig konkret ist und damit in Zukunft ein hohes Konfliktpotential bietet. So ist unklar, für welche Dauer die Aktualisierungspflicht bestehen soll. Insoweit soll auf die objektiv zu bestimmende und damit zu erwartende Verbrauchererwartung abgestellt werden. Ebenfalls unklar ist, wie die Aktualisierung in der Praxis erfüllt werden soll, ob bspw. das Unternehmen der Aktualisierungspflicht durch einen Dritten nachkommen kann. Unternehmen, die die digitalen Komponenten ihres Produktes nicht selbst bereitstellen, sind jedenfalls gut beraten, etwaige Verträge mit Herstellern oder Vorlieferanten anzupassen, um sich wiederum eine entsprechende Update-Verpflichtung zusichern zu lassen. Auch diese Umsetzung bleibt jedoch abzuwarten und es steht zu befürchten, dass die Durchsetzung für Verbraucher in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden sein wird.

§ 327 r BGB regelt die Voraussetzungen für Änderungen an digitalen Produkten, welche dem Verbraucher dauerhaft bereitgestellt wurden. Die Möglichkeit dazu sollte der Unternehmer sich bereits im Vertrag vorbehalten. Außerdem dürfen dem Verbraucher keine zusätzlichen Kosten entstehen und er muss klar und deutlich über die Änderung informiert werden. Hinzukommt ein Recht des Verbrauchers, den Vertrag zu beendigen, wenn durch die Änderung die Zugriffsmöglichkeit oder Nutzbarkeit des digitalen Produktes beeinträchtigt wird.

Interessant ist auch § 327 q BGB, welcher das Verhältnis zwischen Erklärungen bzgl. des Vertrages und bzgl. der Datenverarbeitung behandelt. So ist etwa der Widerruf der Einwilligung in die Datenverarbeitung durch den Verbraucher nicht auch als Erklärung der Beendigung des Vertrages zu verstehen. Dies gilt umso mehr, wenn kein Beendigungsgrund gegeben ist. Sofern der Unternehmer aufgrund des Widerrufs von einer weiteren Datenverarbeitung absehen muss, steht ihm jedoch unter gewissen Voraussetzungen ein Kündigungsrecht hinsichtlich des Vertrages zu.

Fazit

Die neuen Regelungen sind ein Schritt in die richtige Richtung und ein wichtiger Ansatz, auf die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft auch in rechtlicher Hinsicht zu reagieren. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Anwendung und Auslegung in der Praxis und durch die Gerichte einpendeln wird.

Sofern Sie Beratung zu den rechtlichen Anforderungen für digitale Produkte benötigen oder bei der Durchsetzung oder Abwehr von Forderungen anwaltliche Unterstützung wünschen, sprechen Sie uns gerne an.


*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.