Zeugnisberichtigungsanspruch

Zeugnisberichtigungsanspruch

02. August 2023

Arbeitgeber:innen sind nach § 630 S. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 109 Gewerbeordnung (GewO) verpflichtet, Arbeitnehmer:innen* bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ein schriftliches Zeugnis zu erteilen, dass mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) und auch Verlangen des Arbeitnehmers auch darüber hinaus zu Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) enthalten muss. In § 109 Absatz 2 GewO finden sich weitere Vorgaben: die Formulierungen müssen klar und verständlich sein und dürfen nicht den Zweck haben, eine andere Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen, als sich aus dem Wortlaut bzw. der Form ergibt.

Erfüllt der Arbeitgeber diesen Anspruch nicht oder nicht ausreichend, stehen dem Arbeitnehmer Ansprüche auf Erfüllung, also Erteilung bzw. Berichtigung, und gegebenenfalls auf Schadensersatz zu.

Anspruch auf Erteilung bzw. Berichtigung

Hat der Arbeitgeber entgegen § 109 GewO kein Zeugnis erteilt, kann der Arbeitnehmer die Erteilung verlangen. Hat der Arbeitgeber ein Zeugnis erteilt, das den gesetzlich geregelten Anforderungen nicht entspricht, kann der Arbeitnehmer Nacherfüllung, in diesem Fall Berichtigung, verlangen.

Ein nicht ordnungsgemäßes Zeugnis, dass nicht alle geforderten Angaben nach § 109 Absatz 1 GewO enthält oder den Bestimmtheitsanforderungen aus § 109 Absatz 2 GewO nicht genügt, erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers nicht, sodass er einen Anspruch auf Nacherfüllung hat. Dies gilt nach der Rechtsprechung ausdrücklich auch für inhaltliche Bewertungsmängel des Zeugnisses. Der Anspruch auf Berichtigung beinhaltet die Ausstellung eines neuen, ordnungsgemäßen Zeugnisses, dass auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum zurückzudatieren ist (sofern der Arbeitnehmer die Verzögerung nicht verschuldet hat). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der Arbeitgeber dabei an den nicht vom Arbeitnehmer gerügten Teil des ursprünglich erteilten Zeugnisses gebunden.

Der Berichtigungsanspruch ist begrenzt auf die Pflichtangaben aus § 109 GewO, darüber hinaus kann der Arbeitgeber nicht zu weiteren Angaben, etwa zu persönlichen Empfindungen, verpflichtet werden. So hat das BAG entschieden, dass kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel am Ende des Zeugnisses besteht [LINK], unabhängig davon, ob sie im Allgemeinen in Zeugnissen üblich ist.

Der Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses verjährt in der Regelverjährungsfrist von 3 Jahren, er kann aber vorher schon durch Verwirkung erlöschen, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht in angemessener Zeit (je nach Einzelfall schon nach 10 Monaten) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend macht und der Arbeitgeber nicht mehr mit dem Verlangen rechnen musste. Der Nacherfüllungsanspruch auf Berichtigung eines mangelhaft erteilten Zeugnisses kann ebenfalls durch Zeitablauf und Untätigkeit des Arbeitnehmers durch Verwirkung erlöschen (je nach Einzelfall schon nach 5 Monaten), daher sollte der Arbeitnehmer das Zeugnis zeitnah nach dessen Erhalt als mangelhaft rügen.

Anspruch auf Schadensersatz

Wenn der Arbeitgeber das Zeugnis gar nicht erteilt oder das Zeugnis für den verfolgten Zweck, also insbesondere die Bewerbung auf einen anderen Arbeitsplatz, vollkommen ungeeignet ist, z.B. weil es polemisch formuliert ist, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung nach § 280 Absatz 2 BGB unter den Voraussetzungen des Verzuges nach § 286 BGB. Verzug setzt demnach eine Mahnung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber voraus.

Das erste Verlangen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ihm ein Zeugnis auszustellen, ist dabei noch nicht als Mahnung zur Auslösung des Verzugs zu verstehen. Zunächst hat der Arbeitnehmer durch das Verlangen sein Wahlrecht auszuüben, ob er ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis wünscht und dann dem Arbeitgeber eine angemessene Zeit für die Erstellung einzuräumen, bevor er eine Mahnung aussprechen und den Verzug auslösen kann.

Dem Arbeitnehmer muss auch ein Schaden entstanden sein, insbesondere durch Verdienstausfall – hierfür muss der Arbeitnehmer beweisen, dass ihn ein anderer Arbeitgeber wegen des fehlenden oder mangelhaften Zeugnisses nicht eingestellt hat und ihn mit einem ordnungsgemäßen Zeugnis aber eingestellt hätte, was schwer nachzuweisen ist. Zudem muss der Arbeitnehmer die Berichtigung zeitnah geltend zu machen, wenn – ggf. bei einem unvollständigen oder mangelhaften Zeugnis – anzunehmen ist, dass der Arbeitgeber nichts davon weiß, dass das Zeugnis nicht ordnungsgemäß erteilt wurde, sonst kann sein Ersatzanspruch herabgesetzt oder ausgeschlossen sein.

Geltendmachung vor Gericht

Der Arbeitnehmer kann die Erteilung oder Berichtigung des Arbeitszeugnisses im Wege der Klage vor den Arbeitsgerichten geltend machen. Im Falle der Klage auf Erteilung richtet sich der Klageantrag nur auf die Erteilung, nicht auf bestimmte Formulierungen. Bei der Durchsetzung der Berichtigung ist zu beachten, dass der Antrag so formuliert sein muss, dass er im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden könnte, sonst kann der Klage im Fall der Unbestimmtheit des Antrags nicht stattgegeben werden bzw. das ausgesprochene Urteil wäre nicht vollstreckbar. Daher ist in diesen Fällen der Antrag auf den genauen Wortlaut, den der Arbeitnehmer als Beurteilung verlangt, zu richten. Gegebenenfalls kommt es auch in Betracht zu beantragen, dass der Arbeitgeber ein pflichtgemäßes, qualifiziertes Zeugnis entsprechend eines vom Arbeitnehmer vorzulegenden Entwurfs auszufertigen und zu übergeben hat.

Der Arbeitnehmer hat darzulegen und zu beweisen, dass ein Arbeitsverhältnis bestand, der Zeugnisanspruch fällig ist und – soweit er ein qualifiziertes Zeugnis beansprucht – er dieses vom Arbeitgeber verlangt hat. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, wenn der Anspruch erloschen ist oder eine Einrede gegen diesen besteht. Der Arbeitgeber kann die Erteilung des Zeugnisses nicht wegen eigener bestehender Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zurückhalten.

Will der Arbeitnehmer die Berichtigung eines mangelhaft erteilten Zeugnisses geltend machen, hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu beweisen, dass das Zeugnis den Anforderungen des § 109 GewO genügt und er seine Verpflichtung zur Erteilung vollumfänglich erfüllt hat. Allerdings differenziert die Rechtsprechung bei einem Streit über die Beurteilungsstufe danach, welche Beurteilung bzw. Note der Arbeitnehmer erstrebt: für die Tatsachen, die dem Verlangen des Arbeitnehmers nach einer mehr als befriedigenden oder durchschnittlichen Beurteilung zugrunde liegen, trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Wurde er dagegen unterdurchschnittlich bewertet, hat der Arbeitgeber dies durch Beweise zu rechtfertigen. Lässt sich eine Tatsache, die einer bestimmten Beurteilung zugrunde liegt, nicht beweisen, verurteilt das Gericht zur Erteilung eines Zeugnisses mit befriedigender Beurteilung.

Bei der gerichtlichen Geltendmachung ist der allgemeine Grundsatz der Zeugniswahrheit zu berücksichtigen, wonach der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet werden darf, entgegen der Wahrheit Beurteilungen oder andere Zeugnisformeln auszusprechen. Grundlage für diesen Grundsatz ist, dass das Zeugnis eine Entscheidungsgrundlage für Einstellungen bei zukünftigen Arbeitgebern ist.

Das entscheidende Arbeitsgericht kann das gesamte Zeugnis überprüfen und daraufhin gegebenenfalls auch selbst neue Formulierungen vornehmen oder den Arbeitgeber verurteilen, bestimmte Teile des Zeugnisses zu streichen.

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