ChatGPT spuckt geschützte Liedtexte aus und jetzt gibt es die Quittung. Das Münchener Landgericht (LG München I) stellt klar: Wer KI mit urheberrechtlich geschützten Werken füttert und diese dann wieder ausgeben lässt, haftet dafür. Ein Urteil mit Sprengkraft.

Die Kreativbranche dürfte sich freuen. In einem wegweisenden Urteil hat die GEMA gegen den ChatGPT-Konzern OpenAI gewonnen. Das LG München I entschied, dass der KI-Gigant mit seinem Chatbot massiv gegen deutsches Urheberrecht verstoßen hat. Die Richter sprachen der GEMA nahezu alle geforderten Rechte zu – ein richtungsweisendes Urteil mit hoher Schlagkraft.

Sachverhalt

Die GEMA zog vor Gericht, weil ChatGPT allzu bereitwillig deutsche Hits zum Besten gibt. Gibt man simple Anfragen (sogenannte Prompts) ein, liefert die KI Liedtexte von Helene Fischer bis Rolf Zuckowski. Fast Wort für Wort. Insgesamt ging es um neun bekannte Songs, darunter „Atemlos“ und der Kindergeburtstags-Klassiker „Wie schön, dass du geboren bist“. Der Vorwurf der GEMA: OpenAI hat die geschützten Texte nicht nur zum Training seiner KI genutzt, sondern diese anscheinend auch gespeichert. So waren die Texte auf Knopfdruck abrufbar. Zusätzlich warf die GEMA dem Unternehmen vor, durch fehlerhaft Zuordnungen veränderte Texte auch Persönlichkeitsrechte verletzt zu haben. Open AI protestierte und behauptete, die KI speichere keine konkreten Texte, sondern lerne nur aus Mustern. Was am Ende herauskomme, sei Ergebnis der Nutzereingabe. Die Verantwortung liege folglich bei den Userinnen und Usern, nicht beim Konzern. Außerdem berief sich OpenAI auf eine gesetzliche Ausnahme: Das sogenannte Text- und Data Mining nach § 44b Urhebergesetz (UrhG) erlaube es, urheberrechtlich geschützte Werke für KI-Training zu nutzen.

Entscheidung des LG München I

Mit seinem Urteil, zeigt das LG München I klare Kante gegen die KI-Industrie. Es folgt der Argumentation der GEMA dabei fast vollständig. Die Richter stellten fest, dass ChatGPT die Liedtexte tatsächlich speichert. Zwar nicht wie herkömmliche Computer, aber die Songs stecken in den mathematischen Parametern der Modell GPT-4 und GPT-4o. Die Kammer sprach von „Memorisierung“ – einem Phänomen, das die KI-Forschung längst kennt: Trainingsdaten brennen sich ein und lassen sich später durch gezielte Prompts der Userinnen und User* wieder herauskitzeln. Das Gericht verglich die Originaltexte aus den Trainingsdaten mit dem, was der Chatbot ausspuckt. Das Ergebnis war eindeutig. Bei derart komplexen und langen Texten könne kein Zufall im Spiel sein. Die KI musste die Texte gespeichert haben. Es handele sich demnach um eine klassische Urheberrechtsverletzung. Die Songs sind nämlich reproduzierbar im System verankert, was eine unzulässige Vervielfältigung darstelle. Unzulässig deshalb, weil auch die gesetzlichen Ausnahmen des Urheberrechtsgesetzes nach Auffassung des LG hier nicht greifen. § 44b UrhG erlaub es, urheberrechtlich geschützte Werke zu analysieren, ohne die Rechteinhaber um Erlaubnis zu fragen. Diese Norm sollte eigentlich Innovationen im Bereich der automatisierten Datenanalysen fördern, und genau darauf berief sich OpenAI. Das LG erkannte zwar an, dass KI-Systeme grundsätzlich unter diese Regelung fallen. Man darf Texte digitalisieren, im Zwischenspeicher ablegen und für Analysen nutzen. Der Gedanke hinter § 44b UrhG sei, dass solche technischen Zwischenschritte nur der Auswertung dienen und nicht mit dem Original konkurrieren. Deshalb müssten in solchen Fällen auch keine Lizenzgebühren gezahlt werden. Jedoch geht das, was OpenAI macht über diese Intention des Gesetzes hinaus. Die KI extrahier nicht nur Informationen, sie kopiert ganze Werke in ihre digitale DANN. Sie analysiert nicht nur, sondern speichert das Original dauerhaft, wodurch es jederzeit abgerufen werden kann. Damit konkurriert die KI sehr wohl mit dem Originalwerk und schadet den wirtschaftlichen Interessen der Urheber. § 44 UrhG schütze nur vorbereitende Handlungen, nicht aber die dauerhafte Speicherung vollständiger Werke, so die Kammer. Eine großzügigere, technikfreundlichere Auslegung des § 44b UrhG verbiete sich nach dem Wortlaut des Gesetzes. Und auch eine erweiternde analoge Anwendung komme nicht infrage. Selbst wenn man annehme, der Gesetzgeber habe das Problem der Memorisierung noch nicht auf dem Schirm gehabt, sei die Interessenlage nicht vergleichbar. Die Ausnahme für Text-Mining setze voraus, dass keine Verwertungsinteressen berührt werden. Genau das sei hier aber der Fall. Eine Erweiterung der Ausnahme würde die Urheber schutzlos stellen. Das Risiko, dass KI-Systeme Werke einspeichern, liege allein bei den Tech-Konzernen und dürfe nicht auf die Künstler abgewälzt werden. Auch die Regelung zum „unwesentlichen Beiwerk“ nach § 57 UrhG half OpenAI nicht weiter. Diese Norm erlaubt es, geschützte Werke zu nutzen, wenn sie nur nebensächlich neben einem Hauptwerk auftauchen, etwa wenn im Hintergrund eines Urlaubsfotos zufällig ein urheberrechtlich geschütztes Kunstwerk zu sehen ist. Doch was ist in diesem Kontext als Hauptwerk zu verstehen? Nach Ansicht des Gerichts sei der Trainingsdatensatz kein urheberrechtlich geschütztes Werk. Die Liedtexte seien nicht als nebensächlich oder verzichtbar anzusehen. § 57 UrhG greife daher nicht.

Besonders entscheidend ist, dass das LG OpenAI selbst für die Ausgaben des Chatbots verantwortlich macht. Wenn ChatGPT auf simple Anfragen hin geschützte Liedtexte liefert, liege das nicht am Nutzer, sondern am Unternehmen. OpenAI habe entschieden, welche Daten zum Training genutzt werden und die dafür passende Architektur der Modelle entwickelt. OpenAI ist verantwortlich dafür, dass Songs im System hängen bleiben. Die Sprachmodelle prägen maßgeblich, was am Ende ausgegeben wird – nicht die Eingabe des Users. Der Konzern könne sich nicht hinter seinen Nutzern verstecken. Weiterhin betont das Gericht, dass auch die Wiedergabe der Texte durch den Chatbot eine eigenständige Urheberrechtsverletzung sei. Die Originale seien klar erkennbar. Es sei weder eine Ausnahme erkennbar, noch hätten die Rechteinhaber stillschweigend zugestimmt. Das Training von KI-Systemen sei nämlich keine „übliche und erwartbare Nutzungsart“, mit der Künstler rechnen müssten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. OpenAI kann in Berufung gehen. Doch schon jetzt ist klar, dass der Fall die Debatte fundamental prägen wird. Die Botschaft aus München ist klar. Die Tech-Branche können sich nicht einfach am geistigen Eigentum anderer bedienen und sich nicht an geltende Lizenzpflichten halten, nur weil ihre Technologie neu ist. Im Falle, dass das Urteil rechtskräftig wird, müssten die Rechteinhaber vor der Verwendung ihrer Werke für generative KI, ihre Zustimmung erteilen und hätten somit auch die Möglichkeit, dafür eine angemessene Vergütung zu erhalten.

*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.