Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg nicht rechtmäßig war und der Fall neu verhandelt werden muss. Das OLG habe wichtige Beweise nicht berücksichtigt und damit gegen das grundgesetzlich verankerte Recht auf rechtliches Gehör, Artikel 103 Absatz 1 Grundgesetz (GG), verstoßen.
Sachverhalt
In dem Rechtsstreit geht es um einen Gewerbemietvertrag über Räumlichkeiten, die als Spielhalle genutzt werden sollten. Die Mieterin und der Vermieter schlossen einen schriftlichen Mietvertrag, in dem ausdrücklich geregelt war, dass die Mieterin in den Räumlichkeiten mindestens drei Spielhallen mit jeweils zwölf Geldspielgeräten betreiben sollte.
Der Vermieter behauptet jedoch, dass die Parteien darüber hinaus eine Vereinbarung getroffen hätten, laut der die Mieterin verpflichtet gewesen wäre, den Spielhallenbetrieb auf fünf Spielhallen zu erweitern, sobald sie die dafür nötige behördliche Erlaubnis erhält. Diese Erweiterung sei jedoch nie erfolgt, was laut Vermieter zu einem erheblichen finanziellen Schaden geführt habe. Er verklagte die Mieterin deshalb auf Schadensersatz in Höhe von 190.000 Euro für die Ausbaukosten sowie Mietausfall in Höhe von 28.200 € und beantragte festzustellen, dass die Beklagte ab September 2022 dem Kläger die Mietdifferenz von monatlich 4.700 € (einschließlich der im Mietvertrag vereinbarten Indexierung) zu erstatten habe. Die beklagte Mieterin bestritt jedoch die Existenz einer solchen Vereinbarung. Sie argumentierte, dass die schriftlichen Vertragsbedingungen ausschlaggebend seien und eine Erweiterung auf fünf Spielhallen nie Teil der getroffenen Vereinbarung gewesen sei. Außerdem berief sie sich darauf, dass eine Erweiterung auf fünf Hallen ohnehin einer behördlichen Genehmigung unterliegen würde, die sie nie erhalten habe.
Bisheriger Verfahrensgang
Das Landgericht Weiden wies die Klage des Vermieters in der ersten Instanz ab. Es sah keine vertragliche Grundlage für eine Verpflichtung zur Errichtung von fünf Spielhallen und damit auch keinen Anspruch auf Schadensersatz. Der Mietvertrag sei eindeutig und beschränke sich auf drei Spielhallen. Eine weitergehende Verpflichtung sei nicht nachweisbar, und es gebe keine hinreichenden Beweise für eine mündliche Abrede oder eine stillschweigende Vereinbarung.
In der Berufung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg scheiterte der Vermieter erneut. Das OLG entschied per Beschluss, dass die Mieterin lediglich zur Einrichtung von drei Spielhallen verpflichtet gewesen sei. Auch wenn die Parteien möglicherweise über eine Erweiterung des Betriebs auf fünf Spielhallen gesprochen hätten, sei eine rechtlich bindende Verpflichtung dazu nicht nachweisbar. Ohne eine schriftliche Fixierung könne eine solche Erweiterung nicht als vertragliche Verpflichtung gewertet werden. Daher sei eine Schadensersatzforderung unbegründet.
Das OLG ließ die Revision gegen seine Entscheidung nicht zu. Der Vermieter legte daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein, um eine Überprüfung der Entscheidung zu erreichen. Der BGH gab dieser Beschwerde statt und ließ die Revision zu.
Entscheidung des BGH
Der BGH entschied, dass das OLG nicht alle Argumente des Klägers ausreichend geprüft habe und sieht dessen Nichtzulassungsbeschwerde somit als begründet an. Das OLG habe mit seinem Beschluss das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 103 Absatz 1 GG verletzt. Das OLG habe die durch den Kläger benannten Zeugen nicht angehört und seine Entscheidung allein auf den schriftlichen Vertrag gestützt. Ein Gericht dürfe jedoch nicht ohne Anhörung der Beweise eine Entscheidung treffen, wenn diese für den Ausgang des Verfahrens erheblich sein könnten. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung ohne Anhörung der angebotenen Zeugen sei daher unzulässig. Es sei zwar anzuerkennen, dass der Wortlaut einer Vereinbarung immer als Ausgangspunkt jeder Auslegung zu nehmen sei, jedoch sei der gemeinsame Wille der Vertragsparteien dem immer übergeordnet, auch wenn sich dieser nicht konkret im Vertragstext niederschlägt. Vorliegend habe sich das Berufungsgericht zu sehr auf den schriftlichen Vertrag beschränkt und nicht hinreichend berücksichtigt, ob ergänzende Vertragsauslegungen oder Nebenabreden eine Pflicht der Beklagten zur Erweiterung der Spielhallen begründen könnten. Das OLG hätte untersuchen müssen, ob sich aus dem tatsächlichen Verhalten der Parteien oder aus sonstigen Umständen Hinweise darauf ergeben, dass eine Einigung über fünf Spielhallen bestand. Der Wortlaut des schriftlichen Mietvertrags stehe einer zusätzlichen Vereinbarung zwischen den Streitparteien jedenfalls nicht im Wege. Der BGH wies die Rechtssache zur erneuten Verhandlung an das OLG zurück. Dieser Fall zeigt, dass die exakte forensische Arbeit, also die Darstellung des Sachverhalts unter Angebot der passenden Beweise, in diesem Falle Zeugen, im Zivilprozess streitentscheidend sein kann.