Fehler des Anwalts oder der Anwältin gehen grundsätzlich zu Lasten der Mandant:innen*. Diese müssen sich das Verschulden nämlich grundsätzlich zurechnen lassen.
In dem vom Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheidenden Fall hatte der Anwalt des Klägers die Frist zur Begründung der Berufung versäumt, nachdem er in der Berufungsschrift für die Begründung direkt Fristverlängerung beantragt hatte. Der BGH entschied, dass der Rechtsanwalt nicht auf die Fristverlängerung vertrauen durfte, da er keine erheblichen Gründe für eine solche Verlängerung vorgetragen hatte. Der BGH verwarf die Rechtsbeschwerde eines Klägers als unzulässig.
Worum ging es in dem Verfahren?
Im zugrundeliegenden Fall pfändete ein Finanzamt verschiedene Gegenstände in den Geschäftsräumen einer GmbH, die der Kläger an die GmbH vermietet hatte. Über das Vermögen der GmbH wurde später das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger erhob daraufhin eine Drittwiderspruchsklage gegen das Bundesland, in dem sich das Finanzamt befand, welches die Pfändung veranlasste. Er behauptete, dass die gepfändeten Gegenstände in den Geschäftsräumen nicht der Schuldnerin, sondern ihm gehörten.
Bei einer Drittwiderspruchsklage handelt es sich um eine besondere Klageart im Zwangsvollstreckungsrecht. Sie ist in § 771 Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt und dient dem Schutz von Dritten, die zwar nicht selbst Schuldner/Schuldnerin sind, aber denen einen Recht am gepfändeten Gegenstand zusteht. Wenn eine Gläubigerin nämlich im Rahmen einer Zwangsvollstreckung Gegenstände pfändet, kann es sein, dass diese nicht dem Schuldner, sondern einer dritten Person gehören. Der Dritte kann dann mit der Drittwiderspruchsklage gegen die Vollstreckung vorgehen und eine Ausnahme der betroffenen Gegenstände von der Zwangsvollstreckung verlangen.
Der Prozessverlauf
Das Landgericht Neubrandenburg wies die Klage ab, weil es die Auffassung vertrat, dass die gepfändeten Gegenstände nicht im Eigentum des Klägers standen. Damit fehlt dem Kläger das für eine Drittwiderspruchsklage erforderliche Eigentumsrecht.
Gegen das Urteil der ersten Instanz legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers fristgerecht Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Rostock ein. Er versäumte jedoch die rechtzeitige Begründung. In der Berufungsschrift kündigte er an, die Begründung innerhalb von sechs Wochen nachzureichen. Damit wollte der Anwalt die Begründungsfrist also verlängern, einen ausdrücklichen Antrag auf Fristverlängerung stellte er jedoch nicht. Die Nennung eines Grundes, warum die Verlängerung nötig sei, fehlte zudem auch. Die Reaktion des Berufungsgerichts auf die Berufungsschrift erfolgte drei Tage nach Ablauf der offiziellen Begründungsfrist, in welcher das OLG den Hinweis gab, dass die Frist schon vor drei Tagen abgelaufen sei. Der Anwalt hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht bemerkt, dass die Frist abgelaufen war. Er reichte die Begründung mit einer einwöchigen Verspätung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist ein rechtliches Mittel, das eine Partei beantragen kann, wenn sie eine wichtige Frist unverschuldet versäumt hat. Wird dem Antrag nachgegeben, wird die Partei so gestellt, als hätte sie die Frist eingehalten.
Das OLG Rostock verwarf die Berufung als unzulässig, da kein ordnungsgemäßer Antrag auf Fristverlängerung gestellt wurde und auch keine erheblichen Gründe für eine Verlängerung vorgetragen worden seien. Der Kläger legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein, um die Entscheidung überprüfen zu lassen. Nach seiner Auffassung verletze die Entscheidung des OLG sein Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz nach Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Zusätzlich sah er auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 103 Absatz 1 GG verletzt. Er habe den Antrag auf Fristverlängerung konkludent in seiner Berufungsschrift gestellt. Die späte gerichtliche Reaktion auf sein Schreiben, nämlich erst nach Ablauf der offiziellen Frist, verletze seiner Ansicht nach den Grundsatz eines fairen Verfahrens.
Die Entscheidungsgründe des BGH
Der BGH entschied, dass die Rechtsbeschwerde des Klägers unzulässig sei, da keine entscheidungserheblichen Rechtsfehler vorlagen und bestätigte somit die Auffassung des OLG. Laut BGH müsse ein Anwalt damit rechnen, dass ein Antrag auf Fristverlängerung abgelehnt werden kann. Vor allem müsse der Anwalt damit rechnen, wenn der Antrag, wie im vorliegenden Fall nicht ausdrücklich, sondern allenfalls konkludent gestellt wurde. Die Verantwortung für die Einhaltung der Fristen liege laut BGH allein beim Rechtsanwalt. Es gehöre zu den Sorgfaltspflichten eines Prozessvertreters, sich aktiv über den Stand des gestellten Fristverlängerungsantrags zu informieren. Zudem erfordere ein Fristverlängerungsantrag die Darlegung erheblicher Gründe. Da im vorliegenden Fall weder ein ausdrücklicher Antrag gestellt noch ein erheblicher Grund für die Verzögerung beigefügt war, habe der Prozessbevollmächtigte nicht auf eine automatische Verlängerung der Begründungsfrist vertrauen dürfen. Unter den gegebenen Umständen war die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist deshalb als schuldhaft anzusehen und die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu versagen.
Mit diesem Beschluss bestärkt der BGH die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozessführung und unterstreicht die Eigenverantwortung der Rechtsanwälte bei Fristverlängerungsanträgen.
*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.