Eine Drohung mit Gefahr für Leib und Leben stellt nur einen wichtigen Grund dar, der zu einer fristlosen Kündigung berechtigt, wenn sie ernst gemeint ist und auch ernst genommen wird.

Vom schwungvollen Umgang mit dem Filetiermesser zur fristlosen Kündigung - der Sachverhalt

Der spätere Kläger war bei einem Unternehmen als Industriemechaniker beschäftigt. Am 1. Juni 2022 wurde er gemeinsam mit einer Kollegin an einem Probierstand eingesetzt, wo es um das Testen einer Heringsanlage ging, die zum Häuten von Heringen und somit zur Herstellung von Fischfilets dienen soll. Teil der Arbeit war es, mit einem scharfen Fischfiletiermesser umzugehen. Dabei soll er der Kollegin das 20 cm lange Messer mit einem Abstand von 10-20 cm an den Hals gehalten haben. Ob dieses Verhalten als Scherz gemeint war, eine Bedrohung darstellen sollte oder in Geistesabwesenheit passierte, ist zwischen den Parteien jedoch umstritten.

Nachdem der Arbeitgeber von dem Vorfall erfuhr, kündigte er dem Arbeitnehmer nach Anhörung von Zeugen und Rücksprache mit dem Betriebsrat fristlos und, um sicher zu gehen, auch ordentlich. Er begründete sein Vorgehen, indem er darauf verwies, dass durch die Bedrohungssituation das Vertrauensverhältnis mit dem Unternehmen irreparabel geschädigt worden sei und es dem Unternehmen und der bedrohten Kollegin somit unzumutbar sei, den Arbeitnehmer weiter im Unternehmen arbeiten zu lassen.

Was sagte das Arbeitsgericht zu der fristlosen Kündigung?

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage gemäß § 4 Kündigungsschutzgesetz zunächst vor dem Arbeitsgericht (ArbG) in Lübeck gegen die Kündigung, welches ihm auch Recht gab. Das ArbG sah in dem Schwenken des Filetiermessers keinen wichtigen Grund im Sinne von § 626 I Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und sah somit weder eine ausreichende Grundlage für eine außerordentliche als auch ordentliche Kündigung.

Die beklagte Arbeitgeberin legte gegen diese Entscheidung Berufung ein und begründete diese damit, dass durch das Schwenken des Filetiermessers eine Drohung für Leib und Leben einherging, die eine schwere arbeitsrechtliche Pflichtverletzung darstelle, welche zur irreparablen Verletzung des Vertrauensverhältnisses geführt habe.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein bestätigte jedoch die Auffassung des ArbG Lübeck in seiner Entscheidung.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein

Das LAG stellt fest, dass eine Drohung für Leib und Leben zwar „an sich“ ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 I BGB sein könne, jedoch sei Voraussetzung dafür, dass die Drohung von dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin auch ernst gemeint war und der Kollege/die Kollegin* diese auch ernst genommen hat.

Selbst wenn man davon ausginge, die von der Beklagten bei der Anhörung der Zeugen und des Betriebsrates ermittelten Umstände seien richtig, sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Dafür gäbe es zu viele Unstimmigkeiten bei der Sachverhaltsaufklärung.

Die betroffene Kollegin habe z.B. in der Situation, wo ihr das Messer an den Hals gehalten worden sei, gelacht, der Kläger habe das Messer nach einmaliger Aufforderung auch sofort wieder runtergenommen und die Kollegin habe sich erst fast zwei Wochen nach dem Geschehen an den Betriebsrat gewendet. Es ist auch nicht abschließend geklärt, in welcher Hand der Kläger das Messer gehalten haben soll. Zudem saßen die zwei Personen nah beieinander, wodurch dem Kläger keine bewusste Bewegung zum Hals seiner Kollegin nachgewiesen könne. Genauso gut hätte so eine Situation durch eine unbedachte Drehung des Klägers entstehen können.

Solch ein unsachgemäßer Umgang mit dem Filetiermesser stelle grundsätzlich zwar eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung dar und könne daher auch zu einer Kündigung führen, jedoch hätte der Arbeitnehmer im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst wegen einer vergleichbaren Pflichtverletzung abgemahnt werden müssen.

Eine Ausnahme von der erforderlichen Abmahnung könne nur bestehen, wenn schon vorher klar sei, dass zukünftig keine Verhaltensänderung zu erwarten sei oder eine so schwere Pflichtverletzung vorliege, dass die erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber unzumutbar wäre. Die Bedrohung von Leib und Leben würde an sich eine so schwere Pflichtverletzung darstellen, jedoch müsste sie dafür ernst genommen werden und ernst gemeint sein.

Auch eine Verdachtskündigung lehnt das LAG Schleswig-Holstein ab. Eine solche ist nur möglich, wenn der dringende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schwerwiegenden vertraglichen Pflichtverletzung besteht. Die Beklagte brachte aber nur eine vertragliche Pflichtverletzung als Kündigungsgrund vor, weshalb selbst nach ihrem eigenen Vortrag nicht die erforderliche Schwere gegeben sei.

Die hilfsweise erfolgte ordentliche Kündigung lehnte das LAG als sozial nicht gerechtfertigt ebenfalls ab.

* Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Maskulinum oder das generische Femininum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.