Die Voraussetzungen einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung, stehen immer wieder auf dem Prüfstand. Häufiger Anwendungsfall ist bedauerlicherweise die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, wobei sich die Richter immer wieder mit der Frage befassen müssen, ob eine außerordentliche Kündigung zumutbar ist oder mildere Mittel, wie die ordentliche Kündigung, in Frage kommen.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass die sexuelle Belästigung grundsätzlich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geeignet ist. Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (Az. 2 AZR 323/10). Ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten liegt demnach auch vor bei sexuell bestimmten körperlichen Berührungen, der Aufforderung zu sexuellen Handlungen, beim unerwünschten Zeigen und sichtbaren Anbringen von pornographischen Darstellungen und auch bei Bemerkungen sexuellen Inhalts. In einer späteren Entscheidung stellte das BAG klar, dass hierfür keine sexuelle Motivation vorliegen muss (Az. 2 AZR 302/16).

Die Rechtsprechung der Instanzgerichte

Der Kläger äußerte sich gegenüber seiner Kollegin auf einer Weihnachtsfeier im Beisein der anderen Kollegen sexistisch, woraufhin diese sich beim Geschäftsführer beschwerte. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wurde aus diesem Grund außerordentlich gekündigt. Die Kündigungsschutzklage des Klägers vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Elmshorn blieb erfolglos (Az. 6 Sa 71/23). Die Richter ordneten die Aussage nach den oben genannten Kriterien als sexuelle Belästigung ein, da die Kollegin auf derbste Art und Weise zum Objekt sexueller Anspielung herabgewürdigt und einem Objekt gleichgestellt worden wäre. Weder, dass der Kläger einen Scherz machen wollte noch, dass auf der Weihnachtsfeier aufgrund von Alkoholkonsums eine aufgelöste Stimmung herrschte, vermöge den Kläger zu entschuldigen. Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen.

Auch ungewollte Annäherungen oder Berührungen können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Az. 8 Sa 798/20). Der Kläger hatte seine Kollegin auf einer Dienstfahrt gegen ihren Widerstand geküsst und ihr danach mehrere Nachrichten auf ihr Mobiltelefon geschickt, was in einer außerordentlichen Kündigung resultierte. Seine Kündigungsschutzklage blieb erfolglos. Er habe seine Pflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitsgebers Rücksicht zu nehmen, verletzt. Auch unter Berücksichtigung seiner langen Betriebszugehörigkeit und familiären Situation sei eine außerordentliche Kündigung zumutbar.

Anders entschied das ArbG Ulm (Az. 1 Ca 93/19) über die Kündigungsschutzklage eines Mannes, der seiner Kollegin ein obszönes Foto über WhatsApp geschickt hatte. Grundsätzlich sei dieses Verhalten ein geeigneter Kündigungsgrund nach § 626 Abs. 1 BGB. Es sei aber zu berücksichtigen, dass das Verhalten überwiegend dem privaten Bereich zuzuordnen sei, da der Arbeitnehmer seit langer Zeit mit der Kollegin befreundet gewesen wäre und er die Nachricht außerhalb seiner Arbeitszeit und außerhalb des Unternehmens verschickt hätte. Deswegen wiege die Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses nicht derart schwer, dass die Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber nicht zumutbar wäre. Milderes Mittel wäre eine Versetzung gewesen.

Fazit

Die Gerichte behandeln sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz streng. Witze oder unüberlegte Kommentare können genauso einen Kündigungsgrund darstellen wie körperliche Übergriffe. Jedoch müssen immer die Umstände des Einzelfalles beachtet werden. Dabei kommt es vor allem darauf an, inwiefern das Verhalten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat.

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