Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste in seinem Urteil vom 12.10.2022 (Az. 5 AZR 135/22) darüber entscheiden, ob ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber Auskunft über die Gehaltserhöhungen vergleichbarer Kolleg:innen* verlangen kann. Darüber hinaus hat das BAG in seiner Entscheidung die Darlegungslast des Arbeitnehmers, der auf der Grundlage der begehrten Auskunft einen Anspruch auf Gehaltserhöhung im Rahmen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes geltend macht, eingeschränkt.

Der Sachverhalt

Ein leitender Angestellter stritt mit seinem Arbeitgeber um die Auskunft über die Gehaltserhöhungen anderer leitender Angestellter und verlangte auf der Grundlage dieser Auskunft die Anpassung seines eigenen Gehalts. Der Kläger war seit November 2014 bei der Beklagten als Leiter des Bereichs Finanzen und Controlling beschäftigt. Der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers sah vor, dass er zum Kreis der „leitenden Führungskräfte“ gehöre. In den Jahren 2017 bis 2020 erhöhte der Arbeitgeber die Gehälter anderer leitender Angestellter, nicht aber das Gehalt des Klägers.

Der Kläger sah darin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Der Arbeitgeber habe die Gehälter von 13 namentlich benannten, mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmern leistungsunabhängig erhöht und ihn ungerechtfertigterweise davon ausgenommen. Der Arbeitnehmer klagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft über die Gehaltserhöhungen der leitenden Angestellten und verlangte, sein Jahresgehalt entsprechend dieser Auskunft in gleicher Weise anzupassen. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die vorgenommenen Gehaltserhöhungen folgten keinem generalisierenden Prinzip, sondern beruhten auf individuellen Entscheidungen und Verhandlungen. Die Klage und die Berufung des Klägers wurden von den Vorinstanzen abgewiesen.

Das BAG hat der Revision des Klägers stattgegeben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurückverwiesen.

Ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB)

Obwohl grundsätzlich keine allgemeine prozessuale Auskunftspflicht der Parteien besteht, kommt unter bestimmten Voraussetzungen ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Betracht. Hierfür müssen die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen vorliegen (vgl. BAG 25. November 2021 - 8 AZR 226/20). Es muss:

  • eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den Parteien bestehen,
  • die dem Grunde nach einen Leistungsanspruchs des Arbeitnehmers begründet oder ein solcher Anspruch zumindest wahrscheinlich ist.
  • Der Arbeitnehmer muss sich in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seiner Rechte in Ungewissheit befinden und
  • dem Arbeitgeber muss die Erteilung der erforderlichen Auskunft zumutbar sein.
  • Durch die Zuerkennung des Auskunftsanspruchs dürfen schließlich die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht unterlaufen werden.

Diese Voraussetzungen hat der Arbeitnehmer für den geltend gemachten Auskunftsanspruch schlüssig dargelegt.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz

Der Arbeitnehmer hat den geltend gemachten Anspruch auf Gehaltserhöhung, zu dessen Bezifferung er die streitgegenständliche Auskunft begehrt, auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Dieser wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber dazu, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, bei der Anwendung der vom Arbeitgeber aufgestellten Regeln gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die willkürliche Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe. Er verbietet aber auch die Bildung von Gruppen nach willkürlichen oder nicht bestimmbaren, sachfremden Kriterien. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch bei einer allgemeinen Gehaltserhöhung, wenn der Arbeitgeber finanzielle Leistungen nach sachfremden oder nicht bestimmbaren Kriterien gewährt.

Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt. Dazu muss er vergleichbare Arbeitnehmer benennen, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt wurden. Hat er dies getan, muss der Arbeitgeber diesen Behauptungen substantiiert entgegentreten und seinerseits darlegen, wie groß der begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazu gehört. Dies ist im vorliegenden Fall nicht hinreichend erfolgt.

Vorliegend hat sich der Kläger auf seine Zugehörigkeit zu den "leitenden Führungskräften" berufen und aus dieser Gruppe 13 vergleichbare Personen benannt, die im streitgegenständlichen Zeitraum von 2017 bis 2019 Gehaltserhöhungen erhalten haben. Es oblag nun dem Arbeitgeber diesen Behauptungen entgegenzutreten. Der Arbeitgeber konnte nicht beweisen, dass die Gehaltserhöhungen nicht nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt wurden. Ohne Erfolg hatte er sich auf individuelle Vertragsverhandlungen mit den begünstigten Arbeitnehmern berufen. Hierzu hätte er diese Vertragsverhandlungen im Einzelnen darlegen müssen. Auch der Einwand, er habe die Entscheidung über Gehaltserhöhungen den jeweiligen Vorgesetzten übertragen konnte die Annahme einer allgemeinen Regel nicht widerlegen. Diese mussten nämlich bei ihren Entscheidungen die Kriterien des Arbeitgebers beachten. Der Umstand, dass neben dem Kläger auch andere Arbeitnehmer leer ausgegangen seien, könne die unterbliebene Gehaltserhöhung des Klägers nicht rechtfertigen. Denn auch diese Arbeitnehmer könnten durch eine willkürliche Schlechterstellung unangemessen benachteiligt worden sein. Mithin ist der Arbeitgeber den Behauptungen des Arbeitnehmers nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

Das BAG hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht wird erneut zu prüfen haben, ob ein Anspruch des Klägers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hinreichend wahrscheinlich ist.