Wenn aus einem Arbeitsverhältnis Streit mit Arbeitnehmer:innen entsteht und es um sog. deliktische Ansprüche geht, also zivilrechtliche Ansprüche aus unerlaubter Handlung, ist immer die Frage, ob die Arbeitsgerichte oder die Zivilgerichte zuständig sind.

Ob der Weg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit, zu der die Zivilgerichte zählen, gegeben ist, ist teilweise nicht ganz einfach zu entscheiden. Insbesondere die Abgrenzung zur Zuständigkeit der speziellen Arbeitsgerichte kann unter Umständen Probleme bereiten. Was zunächst wie eine recht nebensächliche formelle Unterscheidung erscheint, kann jedoch von Bedeutung für den Prozessablauf sein. Schließlich sind die Arbeitsgerichte traditionell eher arbeitnehmerfreundlich eingestellt. Auch hinsichtlich der Kostentragungslast gibt es Unterschiede.

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Vor dem Zivilgericht zahlt derjenige die Gerichts- und Anwaltskosten (beider Parteien), der unterliegt. Im erstinstanzlichen Verfahren vor den Arbeitsgerichten regelt § 12a ArbGG, dass jede Partei ihre Kosten selbst trägt. Eine weitere Besonderheit ist, dass bei den Arbeitsgerichten die gem. § 54 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) vorgeschriebene Güteverhandlung separat vor der streitigen Verhandlung stattfindet. Vor den Zivilgerichten fallen Güteverhandlung und streitige Verhandlung meist zusammen, das heißt, es wird zunächst zur Güte verhandelt, scheitert dies, wird direkt in die streitige Verhandlung übergegangen. Die von der streitigen Verhandlung klar getrennte Güteverhandlung vor den Arbeitsgerichten gibt dem Versuch einer gütlichen Einigung aus Erfahrung ein höheres Gewicht.

Zuständigkeitsverteilung

Doch wonach richtet sich die Zuständigkeit nun? § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) normiert, dass vor die ordentlichen Gerichte die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie Strafsachen, soweit sie nicht einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind, gehören. Die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet § 2 ArbGG für eine Vielzahl von Fällen. Damit das Arbeitsgericht zuständig ist, muss der Streitgegenstand unter die in §§ 2, 2a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) genannten Tatbestände fallen. Hierzu zählen insbesondere Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses und über unerlaubte Handlungen, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindungen stehen.

Hält eine der Parteien den Weg vor die ordentlichen Gerichte für unzulässig, so kann sie auf folgende Weise vorgehen: Nach § 17a Abs. 3 GVG entscheidet das Gericht bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung durch Beschluss vorab über die Zulässigkeit, wenn eine Partei diese rügt. Ist das Gericht der Auffassung unzuständig zu sein, verweist es den Rechtsstreit per Beschluss an das jeweilige zuständige Gericht. Gegen diesen Beschluss kann wiederrum sofortige Beschwerde nach § 17a Abs. 4 S. 3 GVG iVm § 567 Zivilprozessordnung (ZPO) erhoben werden.

Der Fall

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschied über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte in dem Fall, dass ein gekündigter Arbeitnehmer unerlaubte Handlungen gem. § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vornimmt. Der Kläger, Leiter eines Architektenbüros, wurde auf mehrere Rezensionen im Internet aufmerksam, in welchen sich negativ zum Umgang des Arbeitgebers mit anderen Kollegen, seiner Arbeitsweise und charakterlichen Eigenschaften sowie familiären Missständen geäußert wurde. Angaben im Internet ließen darauf schließen, dass sein Bruder, der bis zu seiner Kündigung als Bauleiter im Betrieb des Klägers angestellt war, diese verfasste. Der Kläger lies die Rezensionen löschen und verlangte von seinem Bruder die Unterlassung derartiger Äußerungen gem. § 823 Abs. 2 iVm § 1004 BGB. Er berief sich auch darauf, dass der Beklagte innere Angelegenheiten des Unternehmens unter Verstoß gegen Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten aus dem Arbeitsvertrag preisgegeben hätte. Zudem liege ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers vor. Der Beklagte rügte die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Landgerichts (LG), da sich eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 c) und d) ArbGG ergebe. Nachdem das LG den ordentlichen Rechtsweg für zulässig erklärte, erhob er sofortige Beschwerde, welcher das LG wiederrum nicht abhalf. Es fehle die für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte erforderliche innere Beziehung der unerlaubten Handlung zum Arbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG. Das OLG gab daraufhin dem Beklagten Recht und erklärte den Weg vor die Arbeitsgerichte für zulässig. Der Begriff der unerlaubten Handlung sei weit auszulegen und erfasse auch auf Unterlassung gerichtete Ansprüche. Arbeitsverhältnis und unerlaubte Handlung würden auch zusammenhängen, wenn diese erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen wurde, da allein die innerliche Beziehung maßgeblich wäre. Die unerlaubte Handlung müsse ihre Ursache in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungs- und Berührungspunkten finden. Bei einer nur zufälligen Verbindung sei dies zu verneinen. Als Indizien für eine Verbindung sah das OLG, dass die Rezensionen eine Reaktion auf die Kündigung darstellten, dem Architekturbüro zugeordnet waren und auf Wissen aus dem Arbeitsverhältnis zurückgegriffen wurde. Das Arbeitsverhältnis könne bei Betrachtung der unerlaubten Handlung nicht gänzlich hinweggedacht werden. Zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Begehung der unerlaubten Handlung müsse auch keine Kausalität bestehen. Die familiären Spannungen würden die bestehende Verbindung nicht ausschließen, da sie die Äußerungen nicht völlig verdrängen oder überlagern würden.

Fazit

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei unerlaubten Handlungen eines Arbeitgebers oder -nehmers richtet sich nach der inneren Verbindung zwischen unerlaubter Handlung und Arbeitsverhältnis. Eine Begehung der unerlaubten Handlung während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist nicht erforderlich. Das Vorliegen einer inneren Verbindung unterliegt der Einzelfallbetrachtung, wobei der Bezug der unerlaubten Handlung auf das Arbeitsverhältnis, Spezialwissen aus dem Arbeitsverhältnis des Handelnden bei der Begehung und eventuell familiäre Spannungen zu berücksichtigen sind.


* Verwenden wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in Zukunft das generische Maskulinum oder das generische Femininum, sind ausdrücklich immer sämtliche Geschlechter gemeint und einbezogen.