Wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, zu welchem die gegnerische Partei nicht erscheint oder nicht verhandelt, so ergeht auf Antrag der anderen Partei ein Versäumnisurteil nach §§ 330 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Dies setzt allerdings gem. § 337 ZPO voraus, dass das die Partei die Säumnis zu vertreten hatte. War die Partei unverschuldet säumig, so wird der Termin verlegt. Das muss überzeugend und offenkundig dargelegt werden. Ob eine unverschuldete Säumnis vorliegt, hatten der Bundesgerichtshof (BGH) und das Oberlandesgericht (OLG) Celle zu entscheiden.

Entscheidung des BGH (Az. VII ZB 58/21): Berufliche Verpflichtungen als Säumnisgrund

Am 29.06.2016 wurde der Beklagte vom Landgericht (LG) Zwickau durch Versäumnisurteil zur Zahlung von Heiz- und Nebenkosten an die Klägerin verurteilt. Als dieser daraufhin Einspruch einlegte, wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung über diesen mehrmals verlegt, bis er zuletzt auf den 22.03.2021 festgelegt wurde. Im September des Jahres 2020 hatte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mitgeteilt, dass das Mandat beendet sei. Am 20.03.2021, zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung, zeigte ein anderer Rechtsanwalt an, den Beklagten nun zu vertreten und verlangte sowohl Akteneinsicht als auch Verlegung des anstehenden Termins. Er müsse sich noch in die Akten einarbeiten, außerdem sei er an der Wahrnehmung des Termins gehindert. Das LG Zwickau wies den Antrag auf Terminverlegung zurück, worauf der neue Prozessbevollmächtigte außerdem beantragte, den zuständigen Einzelrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Für den Beklagten erschien am Termin niemand, weshalb ein zweites Versäumnisurteil erging (Az. 7 O 286/12). Auch das Oberlandesgericht (OLG) Dresden wies die darauffolgende Berufung des Beklagten zurück (Az. 5 U 594/21).

Die anschließende Rechtsbeschwerde des Beklagten vor dem BGH war erfolgreich. Laut dem Gericht hat er die Tatsachen, die auf sein fehlendes Verschulden schließen lassen, vollständig und widerspruchsfrei vorgetragen. Unverschuldet sei seine Säumnis zwar nicht gewesen, wenn er darauf vertraut hätte, dass wegen seines kurzzeitigen Ablehnungsgesuches der Termin aufgehoben worden und deshalb kein Versäumnisurteil ergangen wäre. Auch eine mangelnde Terminvorbereitung entschuldige nicht, solange sie nicht ihrerseits entschuldigt sei, § 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO. Bei einem Anwaltswechsel sei entscheidend, ob die Entziehung des Mandats auf erheblichen Gründen beruhe, aufgrund derer es der Partei ohne eigenes Verschulden nicht mehr zugemutet werden könne, sich durch den von ihr bestellten Bevollmächtigten weiterhin vertreten zu lassen. Das sei der Fall, wenn der Anwalt einen Vertrauensverlust zu verschulden habe und der Grund zum Anwaltswechsel erst zu diesem Zeitpunkt im Rechtsstreit offenbar werde. Trotzdem müsse die betroffene Partei nach der Mandatsbeendigung alles Zumutbare und Mögliche unternehmen, um einen Anwalt zu finden, der zur Mandatsübernahme bereit und in der Lage ist, sich in angemessener Zeit mit dem Prozessstoff vertraut zu machen. Im vorliegenden Fall sei es nicht ersichtlich, warum der Beklagte den neuen Prozessbevollmächtigten erst kurz vor dem Termin mandatierte.
Im Ergebnis sah der BGH ein unverschuldetes Säumnis aber in der Tatsache, dass zwei Termine des Prozessbevollmächtigten am Tag der mündlichen Verhandlung kollidierten. Schließlich solle jede Partei erwarten dürfen, im Termin von demjenigen Anwalt vertreten zu werden, der die Sachbearbeitung des Mandats übernommen hat und ihr Vertrauen genießt.

Entscheidung des OLG Celle (Az. 24 W 3/22): Technische Probleme als Säumnisgrund

Das LG Verden gestattete mit Beschluss vom 01.02.22 den Beteiligten, sich gem. § 128a Abs. 1 ZPO während der Verhandlung an einem anderen Ort aufhalten zu können. Die Verhandlung fand online statt. Zum Beklagtenvertreter konnte dabei aber keine Verbindung hergestellt werden. Das aus diesem Grund vom Klägervertreter beantragte Versäumnisurteil wies das LG zurück, da der Beklagte nicht schuldhaft säumig gewesen sei (Az. 2 O 78/21). Der Beklagtenvertreter habe glaubhaft gemacht, die notwendigen Vorbereitungen getroffen zu haben, um eine Bild- und Tonübertragung im Termin sicherzustellen, außerdem könne nicht erwartet werden, dass die technischen Probleme innerhalb der kurzen Zeit gelöst werden.

Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde durch das OLG Celle als unbegründet abgelehnt. Die Verhandlung hätte gem. § 337 S. 1 ZPO vertagt werden müssen, da der Beklagte unverschuldet verhindert gewesen wäre. Eröffne das Gericht die Nutzung technischer Kommunikationsmedien und bediene sich ein Verfahrensbeteiligter derselben, so dürften die aus deren technischen Gegebenheiten herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Zwar sei grundsätzlich von einer Säumnis bei fehlender Bild- und Tonübertragung auszugehen, um einen Gleichlauf mit dem Fall des Nichterscheinens oder -verhandelns im physischen Gerichtslauf zu erreichen. Ausgeschlossen sei dies deshalb auch nicht allein durch die Tatsache, dass die Beteiligten an dem Ort, an dem die Verhandlungen vorzunehmen waren, anwesend waren. Das Säumnis sei allerdings nur schuldhaft, wenn das technische Problem dem Beteiligten zugerechnet werden könne. Die Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung dürfe für die Beteiligten nicht riskanter sein als das persönliche Erscheinen im Gericht. Unschädlich sei es, wenn trotz Beachtung der als erforderlich anzusehenden Sorgfalt auf Grund nicht mehr aufklärbarer technischer Umstände eine Bild- und Tonübertragung nicht zustande komme. Das sei im vorliegenden Fall insbesondere deswegen der Fall, weil das Gericht keine Testmöglichkeit angeboten oder Hinweise zur Nutzung erteilt hätte. Besondere technische Kenntnisse könnten nicht gefordert werden. Keine Umstände würden auf ein missbräuchliches Verschieben des Termins hindeuten oder dass der Bevollmächtigte mit technischen Problemen hätte rechnen müssen. Es wäre auch nicht zumutbar gewesen, sich mittels eines Mobiltelefons einzuwählen, da dadurch keine ausreichende visuelle und akustische Wahrnehmbarkeit nach § 128a Abs. 1 gewährleistet sei.

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