Die coronabedingten Schließungen nahmen uns nicht nur diverse Ausgehmöglichkeiten, kulturelle Events, Urlaube oder auch den sozialen Austausch und Kontakt mit unseren Mitmenschen – auch das gemeinsame Schwitzen in der „Muckibude“ war nicht mehr möglich. Viele Fitnessstudios verlangten jedoch trotz der monatelangen Schließungen die Weiterzahlung des Mitgliedbeitrags. Nun entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Betreiber verpflichtet werden, die Beiträge, die sie während der coronabedingten Schließungen per Lastschrift von den Mitgliedern abgebucht haben, zurückzuerstatten (BGH Urt. V. 04.05.2022, Az. XII ZR 64/21).
Der Kläger, ein Mitglied eines Fitnessstudios, forderte von der beklagten Betreiberin für die Zeit der dreimonatigen Schließung einen Wertgutschein. Diese war jedoch nur bereit eine „Gutschrift über Trainingszeiten“ für den Zeitraum der Schließung auszustellen. Dies war jedoch für den Kläger aufgrund der Kündigung seiner Mitgliedschaft keine ausreichende Gegenleistung. Vielmehr klagte er die Rückerstattung der durch Lastschrift gezahlten Mitgliedsbeträge für den Zeitraum der coronabedingten Schließung vor Gericht ein.
Der Kläger bekam in der ersten Instanz vom Amtsgericht (AG) Gelsenkirchen Recht und die Beklagte wurde zur Rückzahlung der trotz coronabedingten Schließung eingezogenen Monatsbeiträge verurteilt. Die Beklagte legte Berufung beim Landgericht (LG) Essen ein, welches das Urteil des AG bestätigte. Zu guter Letzt musste sich auch der BGH mit dem Sachverhalt befassen. Dieser bestätigte die vorinstanzlichen Urteile und damit das Vorliegen des Rückzahlungsanspruchs. Der BGH stützt den Rückzahlungsanspruch auf §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 des Bürgerliches Gesetzbuches (BGB). Nach § 326 I BGB entfällt nämlich der Anspruch auf Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 I BGB nicht zu leisten braucht. § 275 I BGB beschreibt den Ausschluss der Leistungspflicht, sofern die Leistungserbringung unmöglich ist. Und das Vorliegen einer Unmöglichkeit bestätigte der BGH aufgrund der Corona-Maßnahmen, die die Schließungen der Fitnessstudios bestimmten. Es war der beklagten Inhaberin des Fitnessstudios aufgrund der Schließung nicht möglich, die vertraglich geschuldete Leistung, nämlich das Zurverfügungstellung der Trainingsmöglichkeiten, zu erbringen. Diese Leistung ist auch nicht mehr nachholbar, denn der Zweck des abgeschlossenen „Fitnessstudiovertrag liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung.“ Hierdurch sollen vielmehr „bestimmte Fitnessziele“ erreicht und die „körperliche Fitness und Gesundheit“ gestärkt werden. Gerade deswegen ist es für ein Mitglied besonders wichtig, dass die „regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios“ möglich ist. Eine Nachholung der Leistung sei durch Zeitablauf ausgeschlossen.
Die beklagte Inhaberin hatte dem entgegengehalten, dass es aufgrund einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB zu einer Verlängerung der vereinbarten Vertragslaufzeit um den Zeitraum der coronabedingten Schließungen gekommen sei. Durch diese Vertragsverlängerung würde deswegen kein Rückzahlungsanspruch bestehen. Jedoch besteht zwischen der Vertragsanpassung nach § 313 BGB und der Unmöglichkeit der Leistungserbringung nach § 275 BGB ein Konkurrenzverhältnis, wonach keine Vertragsanpassung vorgenommen werden darf, wenn der Tatbestand der Unmöglichkeit erfüllt ist. Auch zog der BGH in seiner Begründung einen Vergleich zur Veranstaltungs- und Freizeitbranche, die in ähnlicher Dimension von den coronabedingten Maßnahmen betroffen war. Um Veranstalter und Betreiber vor gravierenden Liquiditätsprobleme zu bewahren, gewährte der Gesetzgeber die Möglichkeit gezahlte Eintrittspreise durch das Ausstellen von Gutscheinen zurück zu gewähren. Durch diese „Gutscheinlösung“ würde es laut BGH, jedoch auch nicht zu einer Vertragsanpassung kommen.
Durch das Urteil stärkt der BGH die Rechte der Personen, die trotz Schließung von Fitnessstudios Mitgliedsbeiträge weiterzahlen mussten. Es gilt gespannt zu beobachten, welches Ausmaß das in Karlsruhe getroffene Urteil auf andere von der Corona-Pandemie betroffene Branchen haben wird und inwieweit dort Rückzahlungsansprüche begründet werden können.