Es vergingen beinahe zwei Jahrhunderte nach der bahnbrechenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Nun steht die lang erwartete Reform des Personengesellschaftsrechts unmittelbar bevor. Das MoPeG (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz) soll am 01. Januar 2023 in Kraft treten. Die wichtigsten Änderungen betreffen die Neugestaltung der GbR sowie die Einführung eines Gesellschaftsregisters, die Öffnung der Personengesellschaften für Freiberufler und das Beschlussmängelrecht.

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Historischer Abriss

Es lohnt sich, die historischen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts nachzuverfolgen, um die Reformbedürftigkeit des Personengesellschaftsrechts zu verdeutlichen. Bei Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ließ der historische Gesetzgeber die Rechtsnatur der GbR offen. Die daraus resultierenden Unklarheiten führten zu einem Meinungsstreit darüber, wer als Rechtssubjekt der Gesellschaft anzusehen sei. Nach der traditionell individualistischen Theorie handelte es sich bei der GbR um ein vertragliches Schuldverhältnis der Gesellschafter mit einem ihnen gemeinsam zugeordneten Gesamthandvermögen. Dementgegen stellte die GbR nach der Gruppenlehre ein eigenständiges, von den Gesellschaftern zu unterscheidendes Rechtsubjekt mit einem eigenen Gesellschaftsvermögen dar.

Der BGH beendete diesen Streit im Jahr 2001 durch die Entscheidung „ARGE Weißes Ross“ (BGHZ 146, 341). Diese stellte klar, dass die GbR im Rechtsverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen könne und bei Begründung von eigenen Rechten und Pflichten rechtsfähig sei, ohne damit juristische Person zu sein. Daraufhin erkannte der BGH 2009 auch die Grundbuchfähigkeit der GbR an (BGHZ 179, 102). Der Gesetzgeber reagierte auf die Entscheidungen mit der Einführung der § 47 Abs. 2 Grundbuchordnung (GBO) und § 899a BGB, welche normieren, dass die GbR und ihre Gesellschafter als Berechtigte ins Grundbuch einzutragen sind.

Seitdem unterscheidet die herrschende Meinung zwischen Außen- und Innengesellschaft, wobei es auf die zwischen den Gesellschaftern getroffenen Vereinbarungen ankommt.

Rechtsprechung und Praxis entfernen sich somit immer weiter von dem überkommenen Regelungskonzept der §§ 705ff. BGB, was die Umgestaltung der gesetzlichen Regelungen unumgänglich macht.

Um dies in Angriff zu nehmen, wurde am 23.07.2018 eine Kommission von Expert:innen* zur Vorbereitung eines Entwurfs einberufen, welche am 20.04.2020 ihren Abschlussbericht mit Gesetzentwurf (Mauracher Entwurf) unterbreitete. Im Januar 2021 folgte der Regierungsentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts.

Neugestaltung der GbR

Nach der gesetzlichen Grundkonzeption handelt es sich bei der GbR um eine nicht rechtsfähige, zur Durchführung einer begrenzten Anzahl von Einzelgeschäften gegründete Gesamthandsgemeinschaft.

In der Praxis ergibt sich ein anderes Bild. Eine erhebliche Anzahl der Gesellschaften ist auf Dauer angelegt und verfolgt Zwecke, die nur durch eine Teilnahme am Rechtsverkehr verwirklicht werden können.

In den §§ 705 II BGB-E soll die Rechtsfähigkeit der GbR nun auch gesetzlich verankert werden. Das Gegenstück dazu bildet die nicht rechtsfähige Gesellschaft, welche in den §§ 740ff. BGB-E Einzug findet.

Es soll weiterhin möglich sein, Rechtsbeziehungen abweichend von gesetzlichen Regelungen auszugestalten. In Anlehnung an das Haftungsregime der Offene Handelsgesellschaft (OHG) (§ 128 HGB) werden die Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten weiterhin in unbeschränkter Höhe mit ihrem Privatvermögen als Gesamtschuldner haften (§§ 721, 721a, 721b BGB-E). Dies schützt Gesellschaftsgläubiger vor Haftungsausfall der Gesellschaft, lenkt die Gesellschafter bei der Eingehung von Risiken und erhöht die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft. Die §§ 713, 722 BGB-E führen ein, dass die für die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten zum Vermögen der rechtsfähigen Gesellschaft gehören, Träger des Vermögens demnach die Gesellschaft selbst ist. Von Bedeutung ist außerdem die Neuerung in § 706 BGB-E. Personengesellschaften wird es dadurch ermöglicht, ihren Sitz frei zu wählen. Dies befriedigt das praktische Bedürfnis, Geschäfte außerhalb der BRD zu tätigen, ohne auf deutsche Rechtsformen zu verzichten, und bringt Rechtssicherheit.

Einführung eines Gesellschaftsregisters

Die Einführung eines Gesellschaftsregisters für die GbR nach § 707 I BGB-E löst das Publizitätsdefizit, welches seit jeher besteht. Problematisch ist vor allem, dass Existenz, Identität und ordnungsgemäße Vertretung der GbR nicht zuverlässig festgestellt werden können und die Durchsetzung von Rechten erschwert ist. Die Anmeldung wird zwar freiwillig und fakultativ sein, jedoch Voraussetzung für den Erwerb von „in öffentlichen Registern einzutragenden Rechten“ wie z.B. dem Grundstückserwerb. Es besteht insofern ein Voreintragungserfordernis. Außerdem muss die GbR mit der Eintragung Mitteilungspflichten zum Transparenzregister nachkommen.

Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler

Sowohl die OHG als auch die Kommanditgesellschaft (KG) gehören zu den kaufmännischen Personengesellschaften. Diese Unterscheidung geht darauf zurück, dass sie gegründet werden, um ein Handelsgewerbe zu betreiben oder Vermögen zu verwalten. Freien Berufen ist die Wahl dieser Rechtsformen regelmäßig verwehrt. Lediglich für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erkannte der BGH eine nur untergeordnete gewerbliche Tätigkeit als für die Gründung einer KG ausreichend an, sofern das Berufsrecht dies vorsieht.

Der Zusammenschluss von Freiberuflern in einer Partnerschaft bietet eine nur unzureichende Haftungsbeschränkung. Diese Sachlage gilt als unangemessene Benachteiligung.

Durch die Regelung des § 107 I 2 HGB-E sollen Personenhandelsgesellschaften für freie Berufe geöffnet werden, soweit das anwendbare Berufsrecht dies zulässt. Dadurch soll der mit bestimmten Berufen einhergehende Schutzbedarf befriedigt und eine generelle Haftungsbeschränkung eingeführt werden.

Änderung des Beschlussmängelrechts

Nach dem bisherigen System führen Beschlussmängel grundsätzlich zur Nichtigkeit. Mangels Befristung der Klage führt dies zu Rechtsunsicherheiten über die Wirksamkeit des Beschlusses. Das MoPeG sieht in den §§ 110 ff. HGB-E eine Orientierung des Beschlussmängelrechts der Personengesellschaften an dem des Aktiengesetzes vor. In den §§ 241ff. Aktiengesetz (AktG) wird zwischen Mängeln, die bereits aus sich heraus zur Nichtigkeit des Beschlusses führen und mangelbehafteten Beschlüssen, die erst durch eine befristete Anfechtungsklage gegen die Aktiengesellschaft vernichtet werden können, unterschieden.

* Verwenden wir zukünftig das generische Femininum oder das generische Maskulinum bezieht das immer sämtliche Geschlechter mit ein.