Gleichbehandlungsgrundsatz (Arbeitsrecht)

Gleichbehandlungsgrundsatz (Arbeitsrecht)

18. Januar 2024

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein gewohnheitsrechtliches Prinzip mit Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis: Einerseits gewährt er als Anspruchsgrundlage dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin* das Recht, gegen Ungleichbehandlungen vorzugehen und ihm/ihr vorenthaltene Leistungen bzw. die Beseitigung von Belastungen zu verlangen und andererseits beschränkt er die Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers bei der Regelung der Arbeitsverhältnisse seiner Mitarbeitenden. Ihm liegt die Vorstellung zu Grunde, dass Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Besonderheiten zu behandeln ist. Eine Besserstellung einzelner Arbeitnehmer schließt der Grundsatz allerdings nicht aus.

Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann im individuellen Arbeitsvertrag nicht abbedungen werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist neben dem Grundsatz anwendbar.

Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Aus dem Grundsatz folgt die Pflicht des Arbeitgebers, die bei ihm Beschäftigten, die miteinander vergleichbar sind, gleich zu behandeln, wenn er selbst gesetzte Regelungen anwendet. Er darf also weder einzelne Arbeitnehmer, ohne Sachgrund schlechter stellen als mit ihnen vergleichbare Arbeitnehmer, noch ohne Sachgrund zwischen vergleichbaren Arbeitnehmergruppen differenzieren. Auch mittelbare Diskriminierungen – auch wegen des Alters – sind umfasst.

Nicht anwendbar ist der Grundsatz, wenn der Arbeitgeber mit einzelnen Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen, etwa über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses trifft, da diese Vorrang haben. Behandelt der Arbeitgeber in solchen Fällen allerdings eine Gruppe von Arbeitnehmern im Gegensatz zu anderen Beschäftigten gleich, muss die Bildung dieser Gruppe auf einer sachlichen Grundlage beruhen. Der Grundsatz betrifft also alle einheitlichen Vertragsgestaltungen und Gesamtzusagen, sowie Leistungsgewährungen aufgrund eines generellen Prinzips und unter vom Arbeitgeber festgelegten Voraussetzungen und Zweck.

Vergleichbar sind Arbeitnehmer, wenn für sie dieselbe Art eines Arbeitsverhältnisses besteht und sie gleiche (Verrichtung derselben Arbeit) oder ähnliche Tätigkeiten (Verrichtung unterschiedlicher Arbeiten, aber gleiche Anforderungen an Qualifikation, Verantwortung und Fertigkeiten) ausüben. Eine reine Gleichwertigkeit der Arbeitsaufgaben reicht nicht aus.

Grundsätzlich muss für jede Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund vorliegen, sie darf also nicht willkürlich geschehen und muss nach dem Zweck der betroffenen Leistung gerechtfertigt sein. Dabei muss es sich um objektive und ausreichend bestimmte Kriterien handeln, denen vernünftige Erwägungen zugrunde liegen. So ist eine Ungleichbehandlung nur dann gerechtfertigt, wenn die von der Begünstigung ausgeschlossenen Personen nicht vom Leistungszweck erfasst sind. Eine sachliche Rechtfertigung kann niemals aus den allgemein als Diskriminierungsgründen anerkannten Merkmalen Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glaube oder religiöse Anschauung sowie sexuelle Identität folgen.

Anwendung findet der Gleichbehandlungsgrundsatz nur, soweit es sich um ein Vorgehen des Arbeitgebers handelt, dass auf einer von diesem selbst aufgestellten Regel beruht, also etwa bei freiwilligen Leistungen. Führt der Arbeitgeber mit seinem Handeln lediglich eine Norm oder eine vertragliche Regelung bzw. eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung durch, ist der Grundsatz nicht anwendbar, z.B. bei einer gesetzlichen Leistungspflicht. Dasselbe gilt für die Anwendung von tarifvertraglichen Regeln (außer der Arbeitgeber hält diese selbst für nicht anwendbar und stellt damit eine eigene Regel auf) und für die Umsetzung von Vorgaben Dritter. Allerdings ist der Arbeitgeber an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, wenn er eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die die Voraussetzungen des Anspruchs enthält, umsetzt.

Der Grundsatz bezieht sich auch auf die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, bei der Vergütung kommt er aber nicht zur Anwendung, wenn diese individuell vereinbart worden ist und nur einzelne Beschäftigte bessergestellt werden.

Gebunden ist der Arbeitgeber bei der Gewährung von Leistungen, wobei hierunter auch ein Anspruchsverzicht fällt, als auch bei der Ausübung von Gestaltungsrechten oder des Direktionsrechts. Voraussetzung ist, dass ein Arbeitsverhältnis noch besteht, zumindest aber nachwirkt.

Rechtswirkungen

Auch die sich aus der differenzierten Behandlung von Beschäftigten ergebenden Rechtsfolgen dürfen nicht unsachlich bzw. willkürlich sein – sie müssen hinsichtlich der sachlichen Unterschiede gerechtfertigt sein. Die Unterscheidungskriterien müssen unter Berücksichtigung des Leistungszweck gewichtet werden.

Ist der Grund für eine Ungleichbehandlung nicht erkennbar, trifft den Arbeitgeber die Pflicht diesen dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen offen zu legen.

Der Verstoß gegen den Grundsatz führt zur Unwirksamkeit der betreffenden Regel führen, wobei die dadurch entstehende Lücke zu schließen ist, indem die Leistung an die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes angepasst wird – in der Regel bedeutet das eine Anpassung „nach oben“, also die Begünstigung auch der benachteiligten Arbeitnehmer, da nur so die Ungleichbehandlung behebbar ist. Hat der Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, besteht somit eine Pflicht, dass er die Begünstigung auf alle Arbeitnehmer auszuweiten hat; der benachteiligte Arbeitnehmer hat, soweit keine sachliche Rechtfertigung besteht, das Recht, dieselbe Behandlung wie die der begünstigten Arbeitnehmer zu verlangen.

Grundsätzlich muss zwischen der Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft unterschieden werden, wenn sich die Ungleichbehandlung dauerhaft auswirkt. Kann der Arbeitgeber die Leistung von den begünstigten Beschäftigten nicht zurückfordern oder unterlässt er eine mögliche Rückforderung, steht den Benachteiligten ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Begünstigten zu. Hinsichtlich einer zukünftigen Gleichstellung steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch zu, da es der Freiheit des Arbeitgebers unterliegt, wie er die Gleichbehandlung in Zukunft bewirken will.

Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitnehmer hat darzulegen und ggf. zu beweisen, dass eine Ungleichbehandlung nahe liegt, z.B. die unterschiedliche Vergütung vergleichbarer Tätigkeiten, also dass der Arbeitgeber Gruppen gebildet hat und mit welcher dieser Gruppen er, der Arbeitnehmer, vergleichbar ist.

Der Arbeitgeber muss sodann darlegen und beweisen, dass die vorgetragene Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist.

* Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter mitumfasst.

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