Sachverhalt

Der Erblasser war in zweiter Ehe verheiratet und hatte vier Kinder. Zur Alleinerbin bestimmte er seine zweite Ehefrau und verfügte zugunsten seiner Kinder Vermächtnisse. Zwei der drei Kinder aus erster Ehe forderten die Alleinerbin nach Annahme und Entgegennahme des Vermächtnisses zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auf. Die beiden späteren Kläger waren mit der Bewertung der Nachlassimmobilien in der Auskunft nicht einverstanden und nahmen eine eigene Bewertung und Berechnung vor. Daraufhin forderten sie einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 154.434,53 EUR bzw. 124.999,13 EUR und bei Nichtzahlung eine Begutachtung der Immobilien auf Kosten des Nachlasses einzuholen, § 2314 BGB.

Ein solches Wertgutachten durch einen unparteiischen Sachverständigen klagten die beiden im Rahmen einer isolierten Werteermittlungsklage nach § 2314 I 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein.

Entscheidung Landgericht Hannover (LG)

Das LG wies die Klage ab, da die Kläger mit der Annahme des Vermächtnisses konkludent auf ihren Zusatzpflichtteil verzichtet hätten. Sie seien durch Testament enterbt worden und dementsprechend pflichtteilsberechtigt gewesen nach § 2303 BGB. Enthalte jedoch das Testament wie hier zugunsten der Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis, so hätten diese ein Wahlrecht zwischen der Annahme des Vermächtnisses und dem Erhalt des vollen Pflichtteils. Zwar stünden den Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich bei Annahme des Vermächtnisses ein Restpflichtteil in Höhe der Differenz zwischen Vermächtnis und Pflichtteil zu nach § 2307 I 2 BGB. Nicht jedoch im Falle des Verzichts. Dieser sei auch konkludent möglich und insbesondere in der Forderung des Pflichtteils ohne Vorbehalt eines Zusatzpflichtteils zu erblicken.

Dagegen wandten sich die Kläger mit der Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel weiterverfolgten und zusätzlich im Wege der Stufenklage gemäß einer Klageerweiterung eine Pflichtteilszusatzzahlung in Höhe von jeweils 1/16 des sich aus der Wertermittlung ergebenden Nachlasswertes begehrten.

Entscheidung Oberlandesgericht Celle (OLG)

Das OLG gibt der Berufung statt und verweist die Sache wegen der Entscheidung über den Zahlungsantrag an das LG zurück.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse gerade bei Erklärungen, die als Verzicht oder Erlass gewertet werden sollen, das Gebot der interessensgerechten Auslegung beachtet werden. Die Aufgabe eines feststehenden Rechts durch den Gläubiger selbst könne immer nur die Ausnahme darstellen, sodass hieran selbst bei eindeutig erscheinenden Erklärungen des Gläubigers strenge Anforderungen zu stellen seien. Damit sei bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf den Pflichtteilsanspruch generell Zurückhaltung geboten.

Das Gesetz statuiere in § 2307 I BGB kein Vorbehaltserfordernis des Pflichtteilsberechtigten bei Annahme des Vermächtnisses. Der dem Urteil des LG zugrundeliegende These, in der vorbehaltslosen Forderung des Vermächtnisses könne oft ein Verzicht auf den Zusatzanspruch gesehen werden, könne in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Es seien die allgemeinen Grundsätze des Verzichts anzuwenden, sodass ein konkludenter Verzicht dem Verhalten der Kläger nicht zu entnehmen sei.

Die Verbindung des vorbereitenden Werteermittlungsanspruch mit dem unbezifferten Zahlungsantrag im Wege einer Stufenklage im Berufungsverfahren stelle eine zulässige Klageerweiterung dar. Die Kläger streben mit dem Zahlungsantrag unmittelbar das Ziel an, das sie bereits mit dem Wertermittlungsanspruch mittelbar zu erreichen versucht hätten. Der Übergang von Rechnungslegungs- zur Zahlungsklage sei damit als zulässige Klageerweiterung und nicht als Klageänderung anzusehen.

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