Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass Langzeiterkrankte keinen gesetzlichen Anspruch auf die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie (IAP) haben. Der Arbeitgeber könne die Voraussetzungen für die Gewährung der Prämie selbst festlegen, sofern diese sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich seien. Die Erbringung von Arbeitsleistung als Auszahlungsvoraussetzung sei daher zulässig.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie (IAP) durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin rechtmäßig an die Erbringung von Arbeitsleistung gekoppelt werden kann.

Die IAP wurde in Deutschland durch den Gesetzgeber mit § 3 Nr. 11c Einkommenssteuergesetz (EStG) eingeführt und ist eine steuer- und sozialabgabefreie Sonderzahlung, die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen* ihren Arbeitnehmern freiwillig gewähren können. So sollen die gestiegenen Verbraucher[LINK]kosten kompensiert werden.

Im März 2023 zahlte die Beklagte allen Arbeitnehmern eine IAP in Höhe von 1.500 Euro netto, jedoch nur an solche, die im Jahr 2023 Arbeitsleistungen erbracht hatten. Der Kläger, ein Arbeitnehmer, war das gesamte Jahr 2023 krankheitsbedingt arbeitsunfähig und verlangt die Auszahlung der Prämie. Die Beklagte vertritt jedoch die Ansicht, dass die Auszahlung ausschließlich an diejenigen Arbeitnehmer erfolgen sollte, die im Jahr 2023 zumindest teilweise Arbeitsleistung erbracht haben. Die Prämie sei nämlich eine Anerkennung für den Beitrag zum Betriebserfolg. Zudem betont die Beklagte, dass es sich bei der IAP um eine freiwillige Leistung handele, bei der sie berechtigt sei, selbst zu entscheiden, welche Gruppen von Arbeitnehmern von der Zahlung profitieren sollten.

Bisheriger Prozessverlauf

Der Kläger klagte vor dem Arbeitsgericht [LINK] Villingen-Schwenningen auf Zahlung der IAP, da er die Differenzierung zwischen arbeitenden und nicht arbeitenden Mitarbeitern für unzulässig hielt. Der Kläger berief sich dabei auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz [LINK]. Die Beklagte argumentierte, die Prämie knüpfe an das objektive Kriterium der Arbeitsleistung an und sei daher sachlich gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt sei, da der Arbeitgeber bei freiwilligen Leistungen differenzieren dürfe. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung [LINK] ein.

Entscheidung des LAG Baden-Württemberg

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Der Kläger stützte seinen Anspruch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe gegen diesen Grundsatz verstoßen, indem sie dem Kläger die Zahlung der IAP verweigert habe. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Arbeitnehmer in vergleichbaren Situationen gleich zu behandeln. Die Beklagte machte die Auszahlung der Prämie von der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im Jahr 2023 abhängig, so dass der Kläger, der aufgrund seiner Langzeiterkrankung im Jahr 2023 keine Arbeitsleistung erbrachte, von der Auszahlung der IAP ausgeschlossen war. Das Gericht sah darin jedoch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Differenzierung nach der Arbeitsleistung sei sachlich gerechtfertigt. Die Beklagte habe die Prämie als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung ausgestaltet. Sie habe inflationsbedingte Belastungen für aktiv erbrachte Arbeitsleistungen ausgleichen sollen. Arbeitnehmer, die keine Arbeitsleistung erbracht hätten, hätten keinen Anspruch gehabt, da sie durch das Krankengeld abgesichert gewesen seien. Die Zulässigkeit der Anknüpfung an die Arbeitsleistung werde auch durch den Wortlaut des § 3 Nr. 11c EStG bestätigt. Danach müsse der Zuschuss „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt werden. Diese Formulierung erlaube es dem Arbeitgeber, die Zahlung an Bedingungen wie die Arbeitsleistung zu knüpfen. Die Differenzierung sei auch mit dem Zweck der steuerrechtlichen Regelung vereinbar. Die Regelung solle die Möglichkeit einer kurzfristigen Entlastung angesichts steigender Verbraucherpreise schaffen, ohne durch eine dauerhafte Lohnerhöhung in eine Lohn-Preis-Spirale zu geraten. Eine solche Spirale entsteht, wenn steigende Löhne die Produktionskosten erhöhen, was wiederum die Preise in die Höhe treibt und neue Lohnforderungen nach sich zieht. Diese Zielsetzung beinhalte keine generelle Verpflichtung der Arbeitgeber zur Zahlung der IAP an alle Arbeitnehmer. Vielmehr handele es sich um eine freiwillige Sonderleistung. Der Arbeitgeber könne daher die Bedingungen für die Auszahlung selbst festlegen, sofern diese sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich seien. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung an die gesamte Belegschaft würde die Bereitschaft der Arbeitgeber zur Zahlung solcher Prämien erheblich einschränken und damit dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Das LAG erkannte auch an, dass der Kläger objektiv von der Inflation betroffen war, stellte aber klar, dass diese Belastung allein keinen Anspruch auf die IAP begründe. Es liege grundsätzlich im Ermessen des Arbeitgebers, ob er die Prämie überhaupt gewähre und an welche Gruppen von Arbeitnehmern er sie zahle. Die hier vom Arbeitgeber vorgenommene Differenzierung sei sachlich gerechtfertigt, da sie auf einem klaren und nicht diskriminierenden Kriterium beruhe, nämlich der tatsächlichen Arbeitsleistung bzw. der Zahlung eines leistungsbezogenen Entgelts. Auch wenn der Kläger im Ergebnis ein geringeres Einkommen gehabt habe und daher von der Inflation besonders betroffen gewesen sei, sei dies im Rahmen der gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Regelungen unerheblich.

Das LAG ließ die Revision [LINK] der Klägerseite zum Bundesarbeitsgericht zu. Die Revision soll klären, ob die arbeitsleistungsbezogene Differenzierung durch den Arbeitgeber mit den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsätzen und den steuerrechtlichen Vorgaben in Einklang steht, und ob dies eine zulässige Gestaltung der IAP darstellt.

*Verwenden wir in Zukunft wegen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Femininum oder das generische Maskulinum, sind hiervon ausdrücklich sämtliche Geschlechter umfasst.